Die Drachenreiter von Pern 05 - Der weiße Drache
Altweibergeschwätz, daß es in der Gildehalle der Schmiede nie etwas Vernünftiges zu essen gäbe. Sicher, Deelans übertriebene Sorge um sein leibliches Wohl ärgerte ihn schon eine ganze Weile, vor allem, da ihn die treue Seele vor den Augen ihres eifersüchtigen leiblichen Sohnes Dorse verhätschelte. Aber alles Dinge, mit denen auf Ruatha ein Tag, jeder Tag, begann. Warum war er also gerade heute aufgesprungen und aus der Burg geflohen, die ihm gehörte, vor Menschen, die theoretisch seine Untertanen waren und ihm zu gehorchen hatten?
Und mit Ruth war alles in Ordnung! Absolut alles in Ordnung!
Aber sicher, bekräftigte Ruth und fügte dann ungehalten hinzu: Nur zum Schwimmen bin ich heute noch nicht gekommen!
Jaxom strich ihm sanft über die Augenwülste und lächelte. »Tut mir leid, daß ich dir den Tagesanfang verdorben habe!«
Hast du doch nicht. Ich schwimme hier im See. Ist ohnehin ruhiger. Ruth stupste Jaxom an. Mach es dir auch schön!
»Ich will es versuchen.« Zorn war Jaxom fremd, und er ärgerte sich über die Heftigkeit seiner Gefühle nicht weniger als über jene, die ihn gereizt hatten. »Schwimm am besten gleich! Wir müssen nämlich noch in die Gilde-Halle der Schmiede.«
Ruth hatte kaum die Schwingen ausgebreitet, da tauchte aus dem Nichts ein Schwarm Feuer-Echsen auf und kreischte begeistert. Man konnte unschwer erkennen, wie sich die kleinen Geschöpfe freuten, daß sie den weißen Drachen entdeckt hatten. Eine braune Echse verschwand sofort wieder im Dazwischen, und Jaxom spürte, wie Groll in ihm aufstieg. Sie spionierten ihm nach, was? Den Punkt mußte er auch noch regeln, wenn er auf die Burg zurückkehrte. Glaubten die vielleicht, er sei ein kleines Kind – oder einer der Alten?
Er seufzte reumütig. Es war ganz klar, daß sie sich Sorgen machten, wenn er einfach so davonrannte. Obwohl er kaum einen anderen Fleck als den See aufsuchen würde. Obwohl ihm mit Ruth kaum etwas zustoßen konnte. Und obwohl es auf ganz Pern kaum einen Ort gab, wo die Feuer-Echsen ihn und Ruth nicht aufstöberten.
Sein Zorn flackerte von neuem auf, diesmal gegen die dämlichen Feuer-Echsen. Warum hatten es die neugierigen Biester ausgerechnet auf Ruth abgesehen? Wo immer er auf Pern mit seinem weißen Drachen auftauchte, sammelten sich im Nu sämtliche Echsen der Umgebung und starrten ihn an. Im allgemeinen hatte diese Tatsache Jaxom eher belustigt, denn die Echsen übermittelten Ruth oft unglaubliche Bilder von Dingen, an die sie sich erinnerten, und der Drache gab dann die schärfsten Eindrücke an Jaxom weiter. Aber heute ärgerte ihn einfach alles.
»Du mußt analysieren«, predigte ihm Lytol immer. »Objektiv denken! Du kannst nie und nimmer andere steuern, wenn du keine Selbstbeherrschung besitzt und das größere Ziel aus den Augen verlierst.«
Jaxom atmete ein paarmal tief durch. Auch das war eine Lehre von Lytol: Sammle dich, ehe du zu sprechen beginnst! Ordne deine Gedanken!
Ruth flog über das tiefblaue Wasser des kleinen Sees, umringt von Feuer-Echsen. Dann legte er unvermittelt die Schwingen an und tauchte. Jaxom schauderte. Wie konnte Ruth die eisige Kälte des Sees ertragen, der von einem Gletscherbach aus dem Hochgebirge gespeist wurde? In der sengenden Hochsommerhitze fand Jaxom das Wasser manchmal erfrischend, aber jetzt, da der Winter kaum vorbei war? Wieder fröstelte er. Nun ja, wenn die Drachen die Kälte des Dazwischen nicht spürten, dann machte ihnen ein Bad in einem Bergsee sicher noch viel weniger aus.
Ruth tauchte auf, und Wellen klatschten neben Jaxoms Füßen ans Ufer. Der junge Mann zupfte spielerisch ein paar dicke Nadeln von einem Ast und warf sie nacheinander in das gekräuselte Wasser. Eine Reaktion seines Ausbruchs war also, daß man ihm die Feuer-Echsen auf die Spur setzte.
Und eine zweite: Dorses völlig erstarrter Gesichtsausdruck. Es war das erstemal geschehen, daß Jaxom sich gegen seinen Ziehbruder zur Wehr setzte. Beim Ei, wie oft hatte er sich danach gesehnt, dem Kerl die Meinung zu sagen, aber immer hielt ihn der Gedanke zurück, Lytol könnte ihm das als unbeherrschtes Benehmen auslegen. Dorse kannte kein größeres Vergnügen, als Jaxom wegen Ruths schwächlicher Statur zu hänseln. Er tarnte seine Bosheiten als brüderliches Geplänkel, weil er genau wußte, daß Jaxom sich dann nicht rächen konnte, ohne von Lytol getadelt zu werden. Und Deelan mit ihrer übertriebenen Sorge um sein Wohlergehen ging ihm längst gründlich auf die Nerven, aber
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