Die Drachenreiter von Pern 05 - Der weiße Drache
– die gesamte Zukunft des Planeten, wenn er die Reaktionen richtig auslegte. Er wußte über die Verhältnisse im Süd-Weyr mehr, als er sollte, aber dieses Wissen hatte ihm nicht geholfen, die heutigen Geschehnisse vorauszusehen. Er machte sich bittere Vorwürfe, daß er so naiv, so blind und starrköpfig gewesen war wie die Drachenreiter, die einen Weyr für unantastbar und die Brutstätte für heilig hielten. Piemur hatte ihn mehr als einmal gewarnt; aber es war ihm nicht gelungen, die Warnungen richtig einzuordnen. Dabei hätte er einfach folgern müssen, daß die verzweifelten Bewohner des Südkontinents diesen Wahnsinnsschritt wagen würden, um ihren heruntergekommenen Weyr mit dem Blut einer jungen, lebenstüchtigen Königin aufzufrischen. Doch selbst wenn er diesen Schluß gezogen hätte, dachte Robinton bitter, wäre es ihm wohl kaum gelungen, Lessa und F’lar zu überzeugen. Die Weyrführer hätten eine solche Anschuldigung einfach als lächerlich zurückgewiesen.
Heute dagegen fand es keiner lächerlich. Kein einziger. Seltsam, daß so viele Leute angenommen hatten, die Alten würden sich ohne Murren ins Exil fügen und gehorsam auf ihrem Kontinent bleiben. Man hatte sie nicht im Lebensraum beschnitten, ihnen aber jede Hoffnung auf die Zukunft genommen. T’kul war sicher die treibende Kraft gewesen – T’ron hatte all seinen Kampfgeist nach jenem Duell mit F’lar verloren. Robinton glaubte nicht, daß Merika und Mardra, die beiden Weyrherrinnen, von dem Plan gewußt hatten; ihnen lag sicher nicht daran, von einer jungen Königin und deren Reiterin verdrängt zu werden. Hatte vielleicht eine von ihnen das Ei zurückgebracht?
Nein, dachte Robinton, es mußte jemand gewesen sein, der sich in der Brutstätte des Benden-Weyrs genau auskannte…oder jemand, der blind auf sein Glück vertraute, als er durch das Dazwischen das Höhleninnere ansteuerte.
Robinton durchlebte noch einmal kurz das Entsetzen, das er empfunden hatte, als das Ei verschwunden war. Bei dem Gedanken an Lessas Zorn verkrampfte sich sein Inneres. Er traute ihr zu, daß sie auch jetzt noch die Drachenreiter des Nordens zusammentrommelte. Sie war dazu fähig, die ungezügelte Wut, welche die Ereignisse des Morgens überlagert hatte, neu anzufachen. Wenn sie weiterhin auf Rache gegen den Süd-Weyr bestand, konnte das zur gleichen Katastrophe für Pern werden wie der erste Sporeneinfall.
Jemand hatte das gestohlene Ei zurückgebracht. Robinton klammerte sich an den Gedanken, daß es in der Zeitspanne, die subjektiv verstrichen war, keinen Schaden erlitten hatte. Lessa ließ sich vielleicht bis zum Ausschlüpfen der Jungkönigin in Schach halten. Aber wenn das Kleine irgendwie negativ beeinflußt worden war, würde sie auf Vergeltung bestehen.
»Das ist in der Tat ein schwarzer Tag«, sagte hinter ihm jemand mit dunkler, ernster Stimme. Der Harfner drehte sich um, dankbar für die ruhige Art des Schmiedemeisters. Fandarels schwerfällige Züge wirkten besorgt, und zum erstenmal fiel Robinton auf, wie sehr sein Gesicht vom Alter gezeichnet, wie müde sein Blick war. »Ein solcher Verrat muß bestraft werden – doch genau das darf nicht geschehen!« Der Gedanke, daß Drachen gegen Drachen kämpfen könnten, rann erneut heiß durch Robintons Gedanken. »Zuviel steht auf dem Spiel!« sagte er zu Fandarel.
»Sie haben bereits alles verloren, was ihnen teuer war, als wir Sie ins Exil schickten. Ich rechnete eigentlich schon eher mit einer Rebellion.«
»Jetzt ist es soweit. Sie beginnen zu kämpfen.«
»Und fordern immer neue Kämpfe heraus. Mein Freund, wir müssen heute unser Sinne mehr denn je zusammenhalten. Ich fürchte, Lessa kann im Moment nicht kühl und logisch denken. Gefühle überlagern ihre Vernunft.« Der Schmied deutete auf den Lederfleck an Robintons Schulter, wo für gewöhnlich die Bronzeechse Zair saß. »Wo befindet sich Ihr kleiner Gefährte?«
»In Brekkes Weyr bei Grall und Berd. Ich wollte, daß er mit Menolly zur Harfnerhalle zurückkehrte, aber er weigerte sich.«
Der Schmied schüttelte wieder langsam und schwermütig den Kopf, und die beiden Männer betraten den Beratungsraum.
»Ich besitze zwar selbst keine Feuer-Echse, aber ich habe bisher nur Gutes über die kleinen Geschöpfe gehört. Mir kam nie der Gedanke, daß sie eine Drohung darstellen könnten.«
»Dann werden Sie mich in diesem Punkt unterstützen, Fandarel?« fragte Brekke, die in Begleitung von F’nor hinter ihnen den Raum betreten hatte.
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