Die Drachenreiter von Pern 06 - Drachentrommeln
der Gegenüberstellung erkennen sollte. Drachen wußten instinktiv, wann ein Gelege reif war, und warnten ihre Reiter. Und Echsen, so hatte Menolly berichtet, bekamen rotleuchtende Augen und summten, wenn das Ereignis dicht bevorstand. Er dagegen hatte keinerlei Hilfe.
Von Unruhe geplagt, drang er in den Dschungel ein, um neue Lianen für eine Angelschnur und Dornen zu suchen. Um ganz sicherzugehen, sammelte er ein paar reife Früchte und eine Handvoll Nüsse. Jungechsen brauchten Fleisch, das wußte er, aber er hoffte zugleich, daß irgend etwas Eßbares besser war als gar nichts.
Erst als er den großen, gekrümmten Dorn an der Lianenschlinge befestigte, kam ihm das eben Erlebte voll zu Bewußtsein. Seine Finger zitterten so stark, daß er eine Pause einlegen mußte. Er, Piemur … Piemur, der Bauernsohn, oder Piemur, der Harfner? Nein, das alles hatte keine Gültigkeit mehr! Piemur… Piemur von Pern! Er, Piemur von Pern, dachte er selbstbewußt, hatte einen Sporenregen überlebt – im Freien, ohne ein Dach über dem Kopf! Er straffte die Schultern, und ein Lächeln huschte über seine Züge, als er auf die Lagune hinausblickte, die ihm ganz allein gehörte. Piemur von Pern hatte den Sporenregen überlebt! Er hatte beträchtliche Hindernisse überwunden, um sein Echsen-Ei in Sicherheit zu bringen. Nicht mehr lange, und er besaß endlich eine eigene kleine Feuer-Echse! Er betrachtete zufrieden den Sandhügel, der die ungeborene Königin schützte.
Woher wußte er überhaupt, daß es eine Königin war? Einen Moment lang überfielen ihn Zweifel. Nun, er würde sich auch mit einer Bronze-Echse zufriedengeben! Aber es mußte eine Königin sein, sonst hätte Baron Meron das Ei nicht von den anderen abgesondert.
Piemur lachte leise in sich hinein. Er hatte wirklich mit seinem Leben gespielt! Eigentlich hätte ihm von Anfang an klar sein müssen, daß der Burgherr die Echsen-Eier verteilen würde – als Höhepunkt des Festes sozusagen. Und er hätte auch denken können, daß die Empfänger ihre Geschenke begutachten würden, sei es aus Freude, oder weil sie Meron mißtrauten. Warum war er nicht sofort aus der Burg verschwunden? Sicherlich hätte sich ein Fluchtweg finden lassen.
Statt dessen saß er nun allein auf dem Süd-Kontinent fest. Piemur ruckte noch einmal am Haken. Das Ding saß fest genug.
Er starrte über das hitzeflimmernde Meer nach Norden, wo er Burg Fort und die Harfnerhalle vermutete. Er befand sich jetzt seit acht Tagen im Süden. Ob die anderen ihn auf Nabol gesucht hatten? Er wunderte sich ein wenig, daß weder Sebell noch Menolly ihre Echsen ausgesandt hatten, um nach ihm Ausschau zu halten. Aber woher sollten sie seinen Aufenthalt kennen? Und Feuer-Echsen brauchten, genau wie Drachen, genaue Ortsangaben. Sebell hatte vielleicht noch gar nicht erfahren, daß Baron Meron mit den Südländern Handel trieb oder daß in jener ereignisreichen Nacht ein Warentransport stattgefunden hatte.
Ein Spritzen in der Lagune weckte seine Aufmerksamkeit. Mit der Flut kamen die Fische zurück. Er stand auf und wanderte über die Steine; einen Moment lang legte er dankbar die Hand auf den Felsensims, der ihn vor den Sporen geschützt hatte.
An diesem Abend brauchte er länger als gewöhnlich zum Angeln. Und er fing nur einen kleinen Gelbschwanz, zu klein, um seinen Hunger zu stillen, und viel zu klein, um eine frisch geschlüpfte Echse zu sättigen. Dabei stieg die Flut immer noch; wenn er sich nicht bald zurückzog, würde er vom Festland abgeschnitten.
Piemur zügelte seine Ungeduld so gut er konnte; er war überzeugt davon, daß die Fische seine Nähe spürten. Während er die Leine schwänzelnd durch das Wasser bewegte, wagte er kaum zu atmen. Plötzlich durchdrang ein merkwürdiges Geräusch die Stille. Er hob den Kopf und schaute umher, versuchte den Ursprung jenes Lautes zu entdecken, der ganz schwach das Klatschen der Wellen übertönte. Seine Blicke streiften den Himmel. Wilde Where vielleicht oder Feuer-Echsen – oder gar Drachenreiter? Ihnen würde er auf dem weiten Strand sofort ins Auge fallen!
Noch ehe er den Laut orten konnte, sah er die Bewegung am Strand. Im gleichen Moment ruckte die Leine in seinen Fingern. In der Panik, die ihn plötzlich ergriff, hätte er sie um ein Haar losgelassen; doch dann siegten die Reflexe. Er zog die Angelschnur hoch und kam zugleich auf die Beine. Sein Blick war starr auf den Strand gerichtet.
Etwas bewegte sich im Sand – ganz in der Nähe des Echsen-Eies!
Weitere Kostenlose Bücher