Die Drachenreiter von Pern 08 - Nerilkas Abenteuer
abgesondert in einer Kuhle lag.
Da ich weder das Gelege noch Alessan ansehen konnte, ließ ich meine Blicke in der Brutstätte umherschweifen.
Meisterheiler Capiam putzte sich gerade geräuschvoll die Nase. In seiner Begleitung befand sich Desdra, die stolz die Zeichen der eben erworbenen Meisterwürde trug. Angeblich wollte sie nicht in ihre eigene Gildehalle zurückkehren, wie es ursprünglich vereinbart gewesen war, sondern bei Meister Capiam bleiben. Ich glaubte, den Grund für diesen Entschluß zu kennen…
Jetzt traf Tirone ein, wie immer von seiner Harfner-Schar umgeben. Dicht hinter ihnen betraten Baron Tolocamp und Anella die Brutstätte. Meine Stiefmutter hatte sich so herausgeputzt, daß der Tand ihr schmächtiges Figürchen zu erdrücken schien. Als sie mich bemerkte, wandte sie sich mit einem Ruck ab und zerrte meinen Vater auf die andere Seite der Tribüne - wohl um sich von mir und Alessan zu distanzieren.
Die Ränge füllten sich. Weyrführer und Weyrherrinnen nahmen Platz, Barone und ihre Gemahlinnen, Handwerks- und Herdenmeister… Ich sah, daß Falga humpelte, als sie den Sand überquerte. Ratoshigan kam allein wie immer. Mir wurde erstmals bewußt, daß ich durch meine Eheschließung mit Alessan zur Elite von Pern gehörte. Aber was bedeutete das schon? Von Telgar waren nur wenige Besucher gekommen; viele dagegen trugen das Abzeichen von Keroon.
Dann hörte ich das Summen der Drachen. Es begann leise und schwoll an, bis der Felsengrund der Brutstätte mitschwang. Der Chor vermittelte Melancholie, aber auch freudige Erwartung. Sh'gall selbst geleitete die Kandidatinnen herein. Er scheuchte die Jungen ungeduldig zu einem Halbkreis und brachte dann die vier Mädchen zum Königin-Ei. Das Summen steigerte sich zu einem hellen Willkommensschrei. Eines der Eier begann zu schaukeln, dann noch eines. Mein Herz schlug schneller. O bitte, Oklina, du mußt es schaffen! Es wäre ein Zeichen, daß noch alles gut wird, daß die Sorgen von Ruatha vergehen…
Sie stand stolz und aufrecht da, nicht mehr das schüchterne, unauffällige Mädchen von früher, sondern eine selbstbewußte, würdevolle junge Frau. Ich hatte Tränen in den Augen. Unwillkürlich ballte ich die Fäuste. Ich spürte Alessans eiskalte Finger auf meinem Handgelenk.
Ein Ei zerbrach, und ein feuchter kleiner Drache arbeitete sich unter jämmerlichem Geschrei aus seinem Schalengefängnis. Es war ein Bronzedrache! Ein Seufzer der Erleichterung ging durch die Menge. Ein gutes Zeichen! Das kleine Geschöpf stolperte direkt auf einen hochgewachsenen Jungen mit einem dichten hellbraunen Haarschopf zu. Auch das war gut, ein Drache, der wußte, wen er als Partner wollte! Der Junge glaubte noch nicht recht an sein Glück und warf hilflose Blicke auf seine Nachbarn. Einer von ihnen schob ihn zu dem kleinen Geschöpf hin. Der Junge rannte los, kniete im Sand und streichelte dem Kleinen die Augenwülste.
Tränen strömten mir über die Wangen, und ich war nicht die einzige, die weinte. Ich hatte nicht gewußt, daß in meinem Innern so viele Tränen aufgestaut waren. Das Weinen half mir, den Druck und die Anspannung der letzten Wochen zu lindern. Es war, als würde ich aus einem langen dunklen Traum in den sonnenhellen Tag treten. Dann sah ich durch den Schleier meiner Tränen, daß ein kleiner blauer Drache ebenfalls seinen Partner gefunden hatte. Das Summen der erwachsenen Drachen wurde durch das Kreischen der Jungtiere und das aufgeregte Geschrei ihrer neuen Partner noch verstärkt.
Plötzlich hatten alle nur noch Augen für das Königin-Ei. Es schaukelte heftig hin und her. Alessans Finger auf meinem Handgelenk verkrampften sich, und ich spürte plötzlich, daß ihm der Ausgang dieser Gegenüberstellung weit wichtiger war, als er sich einzugestehen wagte - vielleicht weil er die Erfahrung gemacht hatte, daß immer dann Leid über ihn kam, wenn er Gefühle äußerte.
Das Ei kippte hin und her. Ein Riß klaffte in der Mitte der Schale, die Hälften fielen mit einem leisen Knirschen auseinander, und die kleine Königin drängte mit ungestümer Kraft ins Freie. Wieder ein ausgezeichnetes Omen!
Zwei der Mädchen beugten sich vor. Ich merkte, wie Alessan den Atem anhielt, aber seltsamerweise hegte ich nicht den geringsten Zweifel daran, wen die kleine Königin wählen würde. Entschlossen und mit großer Behendigkeit steuerte der feuchte goldene Winzling geradewegs auf Oklina zu. Ich merkte nicht, daß ich mich eng an Alessan schmiegte, aber ich
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