Die Drachenschwestern
dir
vielleicht überlegen sollen, als du beschlossen hast, mir die Tatsache zu
verschweigen, dass du selber nächste Woche bereits wieder verschwindest.“
Demonstrativ hielt sie das Flugticket hoch.
„Mist. Ich wollte
es dir noch erzählen.“
„Ach ja, wann
denn? Vielleicht einen Tag vorher?“
„Nein, sicher nicht. Und überhaupt ist das was anderes. Ich
verschwinde ja nicht, wie du das nennst. Das ist meine Arbeit.“
„Das kann schon sein. Trotzdem hätte ich es gerne gewusst, bevor...“,
sie brach ab und wusste nicht recht weiter. „Halt einfach bevor all dem.“ Sie
machte eine alles umfassende Geste mit ihrem rechten Arm.
„Hätte es denn
etwas geändert?“
„Ja... nein.. vielleicht... ach, keine Ahnung. Aber das werden wir
jetzt wohl nie wissen.“ Kaja stürmte aus dem Zimmer, rief nach Zorro, der den
verbalen Schlagabtausch misstrauisch beobachtet hatte, und verließ einige
Sekunden später die Wohnung.
Tim ließ sich in sein Kissen zurück fallen. Na fabelhaft, dachte er.
Das hast du ja toll hingekriegt, ganz toll. Er seufzte. Dann schlug er die Decke
zurück und entdeckte Kajas Schal, der darunter versteckt gewesen war. Er nahm
ihn in die Hand und senkte seine Nase in den weichen Stoff. Der Schal roch nach
Kaja und ihrem Parfum. Verdammt!
Kaja fuhr blindlings den Weg zu Simons Firma. Sie dankte Josef nochmals
fürs Zorro hüten vom gestrigen Tag und bat ihn Simon auszurichten, dass sie für
ihn arbeiten wolle.
„Willst du ihm das nicht selber sagen?“ Er warf einen Blick auf seine
Uhr. „Er sollte gleich hier sein. Normalerweise trinken wir um acht einen Kaffee
zusammen.“
„Danke, das ist lieb von dir. Aber ich muss heute noch viel erledigen
und der Verkehr ist immer sehr unberechenbar Richtung Zürich.“ Darauf konnte
sie jetzt wirklich verzichten: Kaffeepause mit Tims besten Freund!
„Aha. Na dann, bis
zum nächsten Mal und gute Heimreise“, antwortete Josef. Er kratzte sich am Kopf
und dachte bei sich, dass die jungen Leute manchmal doch sehr kompliziert
waren. Zum Glück habe ich das hinter mir, dachte er kopfschüttelnd und machte
sich daran, den Kaffee aufzusetzen.
Als sie endlich auf der A1 Richtung Zürich fuhr, atmete sie auf. Wenn
sie Glück hatte, konnte sie in einer knappen Stunde zu Hause sein und sich in
ihrem Bett verkriechen. Das half immer und gegen alles. Zumindest, solange man
am Schlafen war.
„Verdrängungsschlaf, nennt man das“, erklärte ihr ihr hilfsbereiter
Drache eifrig, als sie zu Hause angekommen war und kommentarlos im Bett
verschwinden wollte.
„Das ist mir egal. Verdrängung hin oder her – geschlafen habe ich auf
jeden Fall nicht viel letzte Nacht. Also werde ich mich jetzt für eineinhalb
Stunden aufs Ohr hauen. Solange wirst du dich ja wohl noch gedulden können.“
„Ooookay“, meinte
Lance gedehnt. „Da ist offensichtlich jemand ziemlich gereizt.“
„Du bist aber auch
wirklich ein Schnellmerker“, gab Kaja sarkastisch zurück.
„Dafür muss ich kein Schnellmerker sein. Wenn du ein Drache wärst,
würden dir kleine Flammen aus den Nüstern schießen beim Sprechen.“
„Geht das denn?“ Kaja war kurzfristig von ihrer Grübelei abgelenkt,
als sie sich das Bild vorstellte.“ Wider Willen musste sie laut lachen. „Das
musst du mir irgendwann zeigen. Aber ich bin wirklich müde. Du kannst mich ja
wecken, wenn ich nicht von selbst aufwache.“
Zufrieden dass zumindest die Verzweiflung aus dem Gesichtsausdruck
seines Schützlings verschwunden war, ließ er sie in Ruhe und fand sich damit
ab, dass er noch eine Weile auf seinen Rapport über die Geschehnisse der
letzten 24 Stunden warten musste. Vielleicht rief Miri ja später an, dann
könnte sie das Wecken übernehmen. Er schickte mal eine entsprechende
telepathische Mitteilung los. Das war zwar nach Drachenregeln nicht ganz legal,
schließlich war er für Kaja zuständig. Aber er fand, dass die Berechtigungen
wohl ähnlich übergreifend sein mussten, wenn diese zwei anderen Frauen ihn auch
sehen konnten.
Um elf klingelte tatsächlich das Telefon. Zwar etwas später, als Lance
es sich gewünscht hatte, aber hey, man konnte nicht alles haben. Das merkte er
spätestens dann, als Kaja keinerlei Anstalten machte, von dem Klingeln
aufzuwachen. Nach dem fünften Klingeln hatte er sich endlich dazu
durchgerungen, selber den Hörer abzunehmen. „Hallo“, er musste sich räuspern.
„Hallo, wer ist da?“
„Äh, Lance, bist du
das? Oder bin ich etwa falsch
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