Die Drachenschwestern
geben.
Als Miri um sechzehn Uhr eintraf, überfiel Kaja sie gleich mit den
Worten: „Stell dir vor, ich habe ziemlich sicher herausgefunden, wo unsere
Drachenschwester wohnt. Sollen wir unser Glück versuchen und rausfahren?“
Miri war gleich Feuer und Flamme für diese Idee. „Ja, lass uns
fahren.“
„Ich habe gehofft, dass du das sagst. Ich habe schon Brötchen
geschmiert und Wasserflaschen gefüllt, die Reise kann also losgehen.“
„Ist es denn so weit weg?“ wunderte sich Miri, während sie den
Proviant beäugte.
Kaja lachte. „Nein, eigentlich nicht. Die Adresse ist ganz in der Nähe
von dem Wald, wo wir sie getroffen haben. Was eigentlich logisch ist, sie war
ja mit dem Pferd unterwegs. Aber ich habe heute den ganzen Tag noch nichts
gegessen. Ich kann ja schlecht die ganze Fahrt neben dir essen und dir nichts
anbieten. Also habe ich die doppelte Portion gemacht.“
Im Handumdrehen waren sie unterwegs. Miri stellte aufgeregt eine Frage
nach der anderen, bis Kaja sie irgendwann lachend unterbrach und meinte: „Ich weiß
doch auch nicht mehr. Ich habe einfach diese Adresse und vielleicht wohnt sie
ja gar nicht dort oder nicht mehr oder es ist die falsche Sierra, was weiß ich.“
Nach einer Stunde hielten sie vor einem unscheinbaren Riegelhaus. Kaja
stellte den Motor ab. Sie sahen sich an. „Was war jetzt unser Plan?“ Sie
kicherten albern, aus Nervosität und Vorfreude.
„Sieh mal“, Miri zeigte auf ein Schild, das an der direkt an das Haus
anschließenden Scheune angebracht war. „Reitunterricht.“
„Möchtest du
plötzlich reiten lernen?“
„Ich nicht, aber du.“ Miri grinste. „Wir könnten den Reitunterricht
doch als Vorwand nehmen, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Sonst hält sie uns
noch für Staubsaugervertreter oder Missionare, wenn wir einfach grundlos an der
Tür klingeln.“
„Du hast Recht.
Und wieso möchte ich reiten und nicht du?“
„Ach, du hast
einfach mehr Erfahrung mit großen Tieren. Schau dir doch mal Zorro an.“
„Zorro?“
„Immerhin ist er deutlich grösser als Chili“, verteidigte sich Miri.
Kaja verdrehte die Augen. „Also los, versuchen wir unser Glück. Lance,
du hältst dich im Hintergrund, bis ich dir ein Zeichen gebe.“
„Was für ein Zeichen denn? Gebärdensprache, Rauchzeichen,
Morsezeichen“, zählte er Mithilfe seiner krallenbewehrten Finger auf.
„Ich rufe dich
einfach, du Kasper!“
„Ach so.“
„Lass uns gehen,
sonst verlässt mich noch der Mut“, drängte Miri.
„Du musst ja nicht reiten“, murmelte Kaja. Sie stiegen aus und
läuteten an der Haustüre. Erst passierte eine Weile gar nichts. „Sollen wir
nochmals klingeln?“, fragte Miri mit einem nervösen Seitenblick. Statt zu
antworten drückte Kaja nochmals auf die Klingel.
„Sierra, gehst du an die verdammte Tür?“, schrie jemand, der Stimme
nach offensichtlich ein Mann. Dann wurde die Tür aufgerissen. „Ja“, fragte der
Mann unfreundlich.
„Äh, wir suchen…“
Miri rammte Kaja den Ellenbogen in die Rippen und unterbrach sie.
„Meine Freundin hier interessiert sich für Reitunterricht.“
„Ja, ich würde gerne reiten lernen“, plapperte Kaja drauflos, „diese großen
Tiere haben mich schon immer fasziniert.“
Doch der Mann hörte gar nicht mehr zu. „Sie ist hinten, durch das erste
Scheunentor durch.“ Und schon war er wieder im Haus verschwunden.
„Das war ja jetzt eben nicht gerade kundenfreundlich“, stellte Miri
fest. „Egal, komm lass uns gehen.“ Sie sprangen die drei Stufen, die zur
Haustür führten hinunter und gingen zum hinteren Scheunentor.
Mit einigem Probieren bekamen sie die Scheunentüre sogar auf. Da sie
keinen Lichtschalter fanden, blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich im
Dunkeln durch die Scheune zu tasten und dann mit dem nächsten Tor zu kämpfen.
Kaja schimpfte leise vor sich hin. Endlich standen sie im Hof. Er war sauber gefegt
und von beiden Seiten blickten verschiedene Pferde, die gemeinsam in kleinen
Gruppen in Ausläufen standen, interessiert auf den kleinen Reitplatz, wo Sierra
gerade damit beschäftigt war, ein weißes Pony zu longieren.
Die Frau warf ihnen bei ihrem Erscheinen nur einen kurzen Blick zu und
rief: „Hallo, ich bin gleich bei Ihnen“, und konzentrierte sich dann wieder
voll auf ihre Arbeit mit dem kleinen Pferd. Miri und Kaja stellten sich zu den
Pferden und beobachteten Sierra, während sie die neugierigen Pferdenasen
streichelten, die sich ihnen entgegenstreckten.
„Du hast ja
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