Die Drachenschwestern
Worte fasste, was ihr bis gerade eben nur undeutlich
bewusst gewesen war.
Simon, der bemerkte, dass sich die Stimmung völlig
geändert hatte, räusperte sich. „Tut mir leid, dass ich euch bei eurem
tiefgründigen Gespräch unterbreche, aber ich muss los. Deine Handynummer habe
ich ja, Kaja, und du weißt auch, wo du mich erreichen kannst. Ich rufe dich an,
wenn sich etwas ergibt oder mir noch Informationen fehlen.“
„Ja, mach das bitte. Und nochmals vielen Dank für deine
Hilfe. Ich weiß das wirklich sehr zu schätzen.“
„Keine Ursache. Wie gesagt, ich erweise Tim gerne einen
Gefallen“, setzte er mit einem bedeutungsvollen Grinsen auf seinen Freund
hinzu. Er rief Tsar, der auch prompt kam, und verließ die beiden. Kaja erwischte
Zorro gerade noch am Halsband, bevor er seinem neugewonnenen Freund folgen
konnte.
„Hast du gesehen, kleiner Schlingel, so würde das
theoretisch funktionieren. Herrchen pfeift, Hund kommt.“
Als Antwort schüttelte sich Zorro alles Wasser aus dem Pelz.
„Iih, muss das sein Zorro? Jetzt sind wir alle nass“, schimpfte sie erbost.
„Wenigstens
bist du jetzt ausnahmsweise mal nicht der einzige Dreckspatz“, witzelte Tim.
„Du traust dich ja was“, gab sie drohend zurück und
machte Anstalten, ihn ins Wasser zu schubsen.
„Erbarmen!“,
lachte Tim. „Wir wollten doch noch zur Ausstellung.“
„Hm, okay, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.“
Grummelnd ließ Kaja von ihm ab. Insgeheim war sie ganz froh, einen Vorwand zu
haben, seinen Arm wieder loszulassen. Direkter Körperkontakt mit Tim hatte
momentan einen erschreckend verwirrenden Einfluss auf ihr Befinden und ihr
Denkvermögen.
Auf dem Weg zur Ausstellung brachten sie Zorro ins Auto.
Er würde hier auf sie warten. In die Ausstellung konnte er ohnehin nicht mit und
da es bereits Herbst war und die Sonne nicht mehr so viel Kraft hatte, würde er
sich im Auto sicher wohl fühlen.
„Willst du mit
dem Tram fahren oder sollen wir zu Fuß gehen?“
„Ach lass uns
doch zu Fuß gehen. Dann wird mir wenigstens wieder warm.“
Spontan hakte sie sich bei ihm unter. Fünf Minuten
später wünschte sie sich jedoch, sie hätte es gelassen. Nicht dass es nicht
angenehm gewesen wäre, im Gegenteil. Durch den Stoff ihrer Jacke konnte sie die
Wärme spüren, die von ihm ausging. Auch bemerkte sie den schwachen Duft seines
Rasierwassers und etwas anderem. Es roch so angenehm und urtümlich vertraut,
dass sie sich zusammenreißen musste, um nicht ihre Nase tief in seiner Jacke zu
vergraben. Gerade diese Vertrautheit brachte Kaja völlig aus dem Konzept. Stumm
lief sie eine ganze Weile neben ihrem Begleiter her. Tim schielte auf ihren
dunklen Haarschopf hinunter. Er wurde aus ihr einfach nicht schlau: Er hatte
sich gefreut, als sie sich bei ihm eingehängt hatte, doch er hatte auch genau
gespürt, als sie begonnen hatte, sich gefühlsmäßig vor ihm zu verschließen. Das
gefiel ihm gar nicht.
„Trauerst du diesem Freddy noch nach?“, brach es plötzlich
aus ihm heraus. Diese Frage hatte ihm schon lange auf der Zunge gebrannt.
Erstaunt blickte
Kaja zu ihm hoch. „Freddy, wie kommst du denn darauf?“
„Na ja, du bist
so still. Und da hab ich mich eben gefragt…“, rechtfertigte er sich.
Prüfend schaute Kaja ihn an und fasste dann einen
Entschluss. „Ich war nie in Freddy verliebt. Es hat eben einfach eine Zeitlang ganz
gut gepasst, das ist alles. Nichts desto trotz werde ich nicht gerne
hintergangen, egal von wem. Auch eine Affäre setzt ein gewisses Maß an
Vertrauen voraus.“
„Aha“, war alles was Tim darauf erwiderte. Jetzt hatte
er die Antwort, die er hören wollte, doch mehr Details waren nicht nötig. Er
bekam schon einen dicken Hals, wenn er nur daran dachte, wie dieser Betrüger
Kaja angefasst hatte. Was, wie er sich sehr wohl bewusst war, eine ziemlich
archaische Denkweise war. Nie hätte er gedacht, dass er überhaupt die
Veranlagung zu Eifersucht hatte, schon gar nicht in Bezug auf verflossene
Liebhaber. Doch wenn es um Kaja ging, galten offensichtlich plötzlich völlig
neue Regeln. Er seufzte.
„Lass uns das
Thema wechseln. Tut mir leid, dass ich überhaupt davon angefangen habe.“
„Soll mir recht sein, ich will sowieso viel lieber noch
mehr von Deiner Arbeit wissen“, erwiderte sie lächelnd.
Ein paar Strähnen hatten sich aus ihrem Pferdeschwanz
gelöst, und sie nutzte die Gelegenheit, ihre Haare zu bändigen und somit einen
Vorwand zu haben, ihren Arm aus seinem zu lösen. Jetzt
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