Die Drachenschwestern
Betonbunker?“, neckte er sie.
„Ach ich weiß nicht“, verlegen wandte sie den Blick ab.
„Ich habe mir keine konkreten Gedanken gemacht aber unbewusst war das wohl
meine Befürchtung.“ Sie schnitt eine Grimasse. „Ich kann diese unterkühlten und
zu Tode gestylten Kunstanlässe nicht ausstehen“, gestand sie.
Tim lachte und nahm ihre Hand. „Ich auch nicht. Aber
jetzt komm. Ich habe dir doch eine Privatführung versprochen!“
Er führte sie von Bild zu Bild und ließ ihr jeweils
Zeit, die Fotografien in Ruhe zu betrachten, bevor er ihr erzählte, wie die
Bilder entstanden waren und was darauf zu sehen war. Dabei sparte er nicht mit
amüsanten Anekdoten über kleinere und grössere Missgeschicke, die ihm während
der Arbeit passiert waren. Er deutete auf eine Bildserie, die aus vier kleineren
Aufnahmen bestand. In vier Schritten sah man, wie ein großer weißer Bär ans
Ufer der Insel schwamm und aus dem Wasser kletterte. Auf dem letzten Bild, das
leider nicht ganz scharf war, im Gegensatz zu den andern, blickte der Bär
direkt in die Kamera.
„Während ich diese Bilder schoss befand ich mich auf
meinem Schlauchboot ziemlich nahe der Insel. Ich konnte mein Glück nicht
fassen, dass da dieser Bär, ich habe ihn übrigens Papa Joe getauft…“
„Du hast ihnen
Namen gegeben?“, hakte Kaja ungläubig nach und kicherte.
„Klar, was
glaubst du denn“, antwortete er in gespieltem Ernst.
„Wie konntest du
die Tiere überhaupt auseinanderhalten?“
„Tja, einerseits ist die Population ja leider nicht sehr
groß und dazu kommt, dass jeder Bär seine ganz besonderen Merkmale hat.
Entweder die Art, sich zu bewegen oder die Musterung der Schnauze oder wie Papa
Joe, um ihn als Beispiel zu nehmen, er hat ein Riss im Ohr. Vermutlich hat er
bei einem Kampf nicht gut genug aufgepasst. Man muss allerdings schon einiges
an Geduld aufbringen und sich die Zeit nehmen, wirklich mit den verschiedenen
Tieren vertraut zu werden, damit einem die feinen Unterschiede zwischen den
einzelnen Tieren auffallen.“
„Offensichtlich besitzt du einen unerschöpflichen Vorrat
an Geduld“, stellte Kaja beeindruckt fest. Sie beugte sich vor, an Tim vorbei,
um das letzte Bild besser betrachten zu können.
„Das habe ich bis jetzt auch gedacht“, murmelte Tim, der
sich gerade bemühte, sich zusammen zu reißen, um nicht sein Gesicht tief in
Kajas dunklem Haarschopf zu versenken. Ein paar vorwitzige Haare, die sich
offensichtlich nicht von dem Bändigungsversuch des Haargummis beeindrucken ließen,
kitzelten seine Nase und er konnte den Duft des blumigen Shampoos riechen, das
sie am Morgen benutzt haben musste. Abrupt richtete sie sich auf, nichts
ahnend, welche Aufruhr sie in seinem Innern ausgelöst hatte.
„Erzählst du mir jetzt wieso das letzte Bild so
verwackelt ist“, fragte sie, begierig darauf, die Geschichte zu hören.
Tim musste lachen, als er den Eifer in ihrer Stimme
hörte. „Würde ich ja gerne, wenn mich nicht so ein kleiner Dreckspatz mit
Zwischenfragen ablenken würde.“
„Ja, ja“,
erwiderte sie ungeduldig. „Also?“ Erwartungsvoll blickte sie ihn an.
„Wie gesagt, ich befand mich auf diesem Schlauchboot und
versuchte, den Bären möglichst gut vor die Linse zu kriegen. Da ich nicht mehr
paddeln wollte, um Papa Joe auch ja nicht in die Flucht zu treiben, stellte ich
mich an den äußersten Rand, des Schlauchboots. In meinem Eifer und mit der
Kamera vor den Augen merkte ich gar nicht, dass ich mich nach jedem Bild
unbewusst noch ein wenig mehr vornüber neigte, bis das Boot schließlich, den
physikalischen Gesetzen folgend, unter mir nach hinten wegrutschte. Ich Held
fiel ziemlich unelegant ins Wasser. In meinem Schreck muss ich wohl ein Geräusch
gemacht haben, das Papa Joes Aufmerksamkeit geweckt hat. Und offenbar hatte ich
im Fallen geistesgegenwärtig den Auslöser gedrückt.“
„Wie hast du die
Bilder denn überhaupt retten können? Wurde nicht alles nass?“
„Irgendwie habe ich es geschafft, die Kamera über meinem
Kopf außer Reichweite des Wassers zu halten. Ich bin dann spuckend und husten
zum Boot geschwommen und habe noch vom Wasser aus die Kamera mit einem Tuch,
das ich immer griffbereit im Boot liegen hatte, abgetrocknet und in ihrer
wasserdichten Box verstaut.“
„War das Wasser
so gemütlich?“, fragte Kaja, sichtlich bemüht, nicht laut herauszuprusten.
„Bäh!“ Tim streckte
ihr die Zunge raus.
„Natürlich war das Wasser kalt, ich weiß nicht mehr,
wann meine
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