Die drei Ehen der Grand Sophy
Prise.
Lady Ombersley war leicht verwundert. Es waren jetzt zwei Jahre vergangen, seit der lange Krieg in Spanien zu Ende gekommen war, und wenn sie sich nicht täuschte, so hatte sie von Sir Horace zuletzt aus Wien gehört, wo er ohne Zweifel eine geheimnisvolle Rolle bei dem Kongreß gespielt, der dann durch die Flucht dieses gräßlichen Scheusals aus Elba zu einem so jähen Schluß gekommen war. »Ach«, sagte sie ein wenig ratlos, »natürlich, du hast ja ein Haus dort! Das hatte ich beinahe vergessen. Und wie geht es der lieben Sophia?«
»Es verhält sich in der Tat so«, sagte Sir Horace, schüttelte seine Schnupftabaksdose und schob sie in die Tasche, »daß ich hierhergekommen bin, um mit dir über Sophy zu sprechen.«
Sir Horace war seit fünfzehn Jahren Witwer, doch hatte er all diese Zeit über weder die Hilfe seiner Schwester in Anspruch genommen, wenn Fragen der Erziehung seiner Tochter zu klären waren, noch hatte er unerbetenem Rat ein Ohr geliehen; bei seinen Worten empfand Lady Ombersley jetzt ein leises Unbehagen. »Ja, Horace? Die liebe kleine Sophia. Das ist auch wieder mindestens vier Jahre her, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe. Wie alt ist sie jetzt? Sie muß doch beinahe erwachsen sein?«
»Erwachsen ist sie schon seit Jahren«, erwiderte Sir Horace. »Sie war es eigentlich von jeher. Jetzt ist sie zwanzig.«
»Zwanzig!« rief Lady Ombersley. Sie rechnete nach, dann sagte sie: »Ja, das muß sie wohl sein, denn meine Cecilia ist eben neunzehn geworden, und ich erinnere mich, daß deine Sophia ihr fast um ein Jahr voraus war. Ach du lieber Himmel, ja, ja. Die arme Marianne! Was für ein reizendes Geschöpf sie doch war, weiß Gott!«
Es kostete Sir Horace eine leichte Anstrengung, sich das Bild seiner verstorbenen Frau vor Augen zu rufen. »Ja, das war sie wohl. Man vergißt mit der Zeit so vieles, nicht wahr? Sophy ist ihr übrigens nicht sehr ähnlich. Gott sei Dank!«
»Ich kann mir denken, daß sie dir ein großer Trost gewesen sein muß«, seufzte Lady Ombersley. »Und gewiß muß die tiefe Zuneigung, die du ihr entgegenbrachtest, mein lieber Horace, sich dem Kind mitgeteilt haben.«
»Von so einer Zuneigung war nicht im geringsten die Rede«, unterbrach Sir Horace die Schwester. »Ich hätte sie gar nicht bei mir behalten, wenn sie mir Ungelegenheiten bereitet hätte. Aber das hat sie nie getan. Nettes kleines Ding, die Sophy.«
»Nun ja, mein Lieber, ohne Zweifel, aber ein kleines Mädchen in Spanien und Portugal herumzuschleppen, wenn es doch eigentlich in ein anständiges Pensionat gehört …«
»Das wäre gar nichts für sie gewesen. Dort hätte sie höchstens gelernt, sich wie ein zimperlicher Backfisch zu benehmen«, sagte Sir Horace zynisch. »Es hat übrigens keinen Sinn, mir jetzt deswegen Vorhaltungen zu machen. Dazu ist es zu spät. Die Sache ist die, Lizzie, daß ich ein wenig in Verlegenheit bin. Ich hätte gern, daß du Sophy in deine Obhut nimmst, für die Zeit, die ich nach Südamerika gehe.«
»Nach Südamerika?« Lady Ombersley schnappte nach Luft.
»Nach Brasilien. Ich nehme eigentlich nicht an, daß ich sehr lange dort bleibe, aber ich kann die kleine Sophy nicht mitnehmen, und bei Tilly kann ich sie auch nicht lassen, denn Tilly ist tot. Schon vor Jahren in Wien gestorben. Es war das verteufelt Unpassendste, was sie tun konnte, aber sie hat es ja wohl nicht absichtlich getan.«
»Tilly?« fragte Lady Ombersley, gänzlich ratlos.
»Großer Gott, Elizabeth, gewöhne dir doch nicht an, jedes Wort zu wiederholen, das ich sage! Eine abstoßende Gewohnheit. Miss Tillingham, Sophys Gouvernante.«
»Du meine Güte, willst du etwa sagen, daß das Kind seither ohne Gouvernante ist?«
»Natürlich ist sie ohne Gouvernante! Sie braucht auch keine. Als wir in Paris lebten, fand ich stets Chaperons für sie in Hülle und Fülle, und in Lissabon spielt das überhaupt keine Rolle. Aber in England kann ich sie unmöglich allein lassen.«
»Wahrhaftig, das scheint mir auch so. Aber, liebster Horace, wenn ich auch alles tun will, um dir gefällig zu sein, so weiß ich doch nicht recht –«
»Unsinn«, sagte Sir Horace entschlossen. »Sie wird eine angenehme Gefährtin für dein Mädel sein – wie hieß sie doch? Cecilia? Ein liebes junges Ding, verstehst du: hat kein schwarzes Fleckchen auf ihrer Seele.«
Dieses väterliche Lob ließ seine Schwester schmunzeln und einen schwachen Protest äußern. Sir Horace kehrte sich nicht daran. »Was wichtiger ist,
Weitere Kostenlose Bücher