Die drei Fragezeichen und der 5. Advent
und sich gegenseitig abgedroschene Witze erzählten. Konnten das vielleicht Polizisten in Zivil sein? Aber die würden im Dienst keinen Alkohol trinken. Schnell verwarf er seinen Verdacht und blickte unauffällig zur anderen Seite. Dort saß eine aufgebrachte Frau, die über das Handy lautstark einen Ehekrach auszutragen schien. So heftig, wie die Auseinandersetzung war, hätte sie schon eine sehr gute Schauspielerin sein müssen, um sich alles auszudenken.
»Würdest du dich bitte nicht so auffällig umsehen!«, ermahnte Justus flüsternd den Zweiten Detektiv und verpasste ihm dabei einen leichten Tritt unter dem Tisch. »Ich habe die Umgebung bereits gescannt und kann beruhigt Entwarnung geben! Noch hält sich kein Verdächtiger in unserer Nähe auf.« Dann wandte er sich wieder Mrs Candle zu.
»Wie Sie vorhin schon so treffend bemerkt haben, wird sich Edward in naher Zukunft vermutlich nicht mit Ihnen persönlich in Verbindung setzen, Madam. Dennoch bin ich der festen Überzeugung, dass er auf andere Weise mit Ihnen in Kontakt treten wird. Das hat er in gewisser Weise ja schon getan, indem er durch seinen Verbindungsmann Jeremias Howard zwei Nachrichten in Ihrem Adventskalender hinterlegt hat.«
»Richtig«, bestätigte Bob. »Die schriftliche Botschaft und den Ring. Mit diesen beiden Hinweisen hat er Ihnen gegenüber seine Existenz ja quasi schon vor seinem Gefängnisausbruch preisgegeben, Mrs Candle.« Wieder nickte die alte Dame stumm.
»Ich bin mir sicher, dass sich Edward in irgendeiner Form wieder bei Ihnen melden wird – und wir auf diese Weise mehr Hintergrundwissen bekommen werden.«
»Hintergrundwissen, Erster?«, fragte Peter und runzelte die Stirn. »Welcher Art? Und vor allem: wozu?«
»Ich werde das Gefühl nicht los, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Edwards angeblichem Ableben vor fünf Jahren, seiner Einlieferung ins Gefängnis unter falschem Namen kurze Zeit später, seinen Botschaften an Mrs Candle und dem gestrigen Ausbruch. Irgendetwas liegt da im Argen. Irgendetwas, das sich uns noch nicht erschließt. Und wenn wir an den Adventskalender denken, scheint Mrs Candles Enkelsohn ja aus uns noch unbekannten Gründen daran gelegen, dass seine Großmutter erst nach und nach mehr erfährt.«
»Aber muss er denn nicht zumindest im Ansatz damit rechnen – verzeihen Sie mir bitte diese Äußerung, Madam –, dass Sie statt mit Ihrem Enkelsohn eventuell doch eher mit der Polizei kooperieren?«, fragte Peter vorsichtig. »Ich meine, Sie und auch wir machen uns doch in gewisser Weise strafbar, wenn wir unser Wissen über einen geflohenen Sträfling der Justiz gegenüber verschweigen …«
»Langsam, Zweiter!«, unterbrach Justus den Zweiten Detektiv. »Erstens verfügen wir bisher nicht über eine einzige Information, die wir der Polizei vorenthalten könnten. Sicher, wir kennen den wahren Namen von Charly Gordon. Aberwie uns Mrs Candle eben vor Augen geführt hat, werden gleich nach dem Erscheinen der Zeitung bei der Polizei die Telefone heißgelaufen sein. Wenn wir jetzt auch noch anrufen, ist niemand klüger – aber es wird unangenehme Fragen hageln, die uns in unserer Arbeit behindern. Und zweitens werden wir getreu unserer Detektivehre, Peter, niemanden schützen, der ein echtes Verbrechen begangen hat, darauf gebe ich dir Brief und Siegel. Aber dieser Fall ist so merkwürdig, Ausbruch hin oder her, Verurteilung hin oder her, dass es mir schwerfällt, Edward Candle einfach als Verbrecher zu buchen. In meinen Augen gilt für ihn – so paradox es klingen mag – noch (oder wieder) die Unschuldsvermutung.«
Bob und Peter sahen sich erstaunt an, aber die alte Dame klatschte impulsiv mit den Händen. »Bravo, Justus! Treffender hätte ich es auch nicht ausdrücken können. Und ich kann mich nur wiederholen: Ich kenne meinen Enkelsohn. Er mag sich in der Vergangenheit einiger kleiner Delikte schuldig gemacht haben, aber er ist mit Sicherheit kein Schwerverbrecher. Dafür lege ich meine Hände ins Feuer! Auch ich würde keinen Kriminellen decken, selbst aus Liebe nicht! Aber bevor ich nicht weiß, was wirklich passiert ist, werde ich nicht blauäugig die Polizei auf ihn ansetzen!«
»Also, Kollegen?«, wandte sich Justus fragend an Bob und Peter. »Bleiben wir vorerst an der Sache dran?«
Peter stieß einen tiefen Seufzer aus. »Du wirst ja vorher doch keine Ruhe geben, Erster. Was lohnt es da schon, sich gegen dich aufzulehnen? Und, wie sieht es mit dir aus, Bob?«
»Also schön.
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