Die drei Hellwang-Kinder
dann hätte er sich wohl für ein Fräulein Lohwasser entschieden, deren Offertbrief gleichzeitig mit dem Schreiben von Fräulein Zögling eingetroffen war und deren Vorstellung am Vormittag erfolgte, während Sieglinda Zögling auf den Nachmittag bestellt worden war. Fräulein Lohwasser war die Tochter eines Münchner Kunstmalers. Sie hatte ein heiteres, offenes Gesicht und sah aus, als ob sie preiswert einzukaufen und gut zu kochen verstände. Wie sie erzählte, hatte sie nach dem frühen Tode ihrer Mutter die drei jüngeren Geschwister großgezogen und darüber versäumt, einen Mann zu finden. Nun näherte sie sich den Vierzigern, die Geschwister waren längst erwachsen und aus dem Hause geflogen, und da war es jetzt ihrem Vater, dem sie die letzten Jahre die Wirtschaft geführt hatte, eingefallen, noch einmal zu heiraten. — Ihre offenherzige Art gefiel Hellwang, und er war der Meinung, daß sie auch den Kindern gefallen würde. Auch die alte Dame hatte zunächst gegen Fräulein Lohwasser keine Einwände vorzubringen, sie änderte ihre Ansicht aber rasch, nachdem sie Fräulein Zögling kennengelernt hatte.
»Es handelt sich nicht um Gefallen oder Nichtgefallen, lieber Konrad, sondern es geht allein um den Respekt! Diesem zweifelsohne braven und recht netten Fräulein Lohwasser würde Lydia nach drei Tagen auf der Nase herumtanzen. — Und dann, wer ist sie eigentlich? Keine Zeugnisse, keine Empfehlungen...Und woher stammt sie schon? Ich habe den Namen Lohwasser noch nie vernommen — du vielleicht, Konrad?«
Er mußte zugeben, dem Namen dieses Meisters ebenfalls noch niemals begegnet zu sein, aber er konnte es auch nicht unterlassen, seine Schwiegermutter mit der Gegenfrage zu überrumpeln, ob ihr zum Beispiel die Namen Mieris, Metsu und ein paar andere geläufig wären, die in der Geschichte der Malerei immerhin mit langen Kapiteln bedacht würden. Aber solche feinen Stöße drangen der alten Dame nicht unter die Haut.
»Die Tochter eines Malers...«, nörgelte sie, als wollte sie sagen: »Was kann aus Schwabing schon Gutes kommen?«
»Vielleicht nicht ungeeignet für die Kinder eines Schriftstellers...«, murmelte er. Die alte Dame wuchs ein wenig in die Höhe, und ihre Stimme wurde scharf und bestimmt.
»Immerhin bist du Akademiker und ein Mann von Bedeutung! Deinen Namen kennt man in der Literatur — und darüber hinaus in der Welt!«
Hellwang zog das Genick ein und sagte kein Wort mehr. Seine gute Schwiegermama war für gewöhnlich eine gescheite und ganz vernünftige Frau, aber sie hatte ein paar Glaubenssätze, an denen sie niemand rütteln ließ. Der erste betraf die Bedeutung Konrad Hellwangs, dem sie ihre Lieblingstochter zur Frau gegeben hatte: Sie glaubte felsenfest daran, daß mit ihm eine neue
Epoche der Literaturgeschichte begänne — von Hellwang bis...Und das zweite Dogma war ihre Überzeugung, daß die Akademiker dereinst zu Gottes rechter Hand sitzen würden — mit ihren Frauen natürlich. Dagegen war nichts zu machen, und das war wohl auch nicht mehr zu ändern, denn es saß nun schon über siebzig Jahre in dem weiß übersponnenen, kleinen Schädel fest. Seinen Schwiegervater amüsierte es, aber er hütete sich, sich darüber laut zu mokieren.
Und außerdem fand dieses Gespäch statt, nachdem die alte Dame sich anhand der Zeugnisse und durch ein mehr als einstündiges Gespräch über die fabelhaften Qualitäten von Fräulein Zögling unterrichtet hatte. Ah, der verwitwete Graf Idell-Idell auf Schloß Buchhof über Sterzenbach am See...! So etwas war Nektar für ihr Herz, denn vor den Akademikern rangierte doch noch der Adel! Wenn sie in einer Illustrierten eine Fürstenhochzeit entdeckte, und es verging ja kaum eine Woche, daß so etwas nicht geschah, begannen ihre Augen zu leuchten, und sie konnte Hellwang stundenlange Vorträge über die Genealogie der Häuser Sachsen-Coburg-Gotha oder Hohenzollern halten. Vielleicht rührte diese Hingezogenheit daher, daß sie als siebzehnjähriges junges Mädchen dazu ausersehen worden war, vor Wilhelm II. anläßlich seines fünfundzwanzigjährigen Regierungsjubiläums ein Huldigungsgedicht zu deklamieren — worauf ihr der Herrscher gnädig in die Wange zwickte und ihr sein Bild mit eigenhändiger Unterschrift überreichen ließ. Es hing in Hamburg heute noch über ihrem kleinen Schreibtisch...
Sie warf Hellwang einen Blick zu, in dem etwas wie ein Dankbarkeitsgefühl gegen die Vorsehung schimmerte, die Fräulein Zögling nach Greiffing
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