Die drei Hellwang-Kinder
suchte das Schloß Buchhof bei Sterzenbach am See auf der Landkarte. Nicht weniger jedoch hatte sie beeindruckt, daß Fräulein Zögling der Name Konrad Hellwang ein literarischer Begriff< gewesen war.
»Das nenne ich Bildung, lieber Konrad! Und sie versteht mit Kindern umzugehen, das sieht man doch auf den ersten Blick. Nicht zu kalt und nicht zu warm, gerade in der goldenen Mitte. So erzieht man nämlich Kinder! — Und hast du ihren fabelhaften englischen Akzent gehört? Sie muß längere Zeit drüben gewesen sein.«
Hellwang konnte sich nicht erinnern, mehr als eine Phrase aus dem Munde von Fräulein Zögling gehört zu haben, die auch jede Bardame fehlerfrei beherrscht. Unglückseligerweise gab er dieser Meinung auch unverhohlen Ausdruck. Die alte Dame fuhr empört in die Höhe.
»Du vergreifst dich manchmal in deinen Vergleichen, Konrad!« bemerkte sie mit tadelnd gerunzelter Stirn, und Hellwang zog es vor, über seine Gedankenverbindung, die wahrscheinlich wieder einmal über Bremen lief, zu schweigen.
»Jedenfalls«, stellte seine Schwiegermutter abschließend fest, werden die Kinder gute Manieren lernen, und gute Manieren sind im Leben genauso wichtig und nützlich wie gute Kenntnisse. Das sagt sogar Vater!«
»Entschuldige schon, Mama, aber du tust gerade so, als ob die Kinder bis jetzt wild aufgewachsen wären... «
»Entschuldige schon, lieber Konrad, daß ich es ausspreche, aber auch dein Ton ist manchmal ein wenig — frei. Ich verstehe natürlich durchaus, daß du als Künstler dich nicht dem strengen Zwang unterordnest, hie und da ein Wort zu unterdrücken, das in Gegenwart der Kinder besser unausgesprochen bliebe. Leider schnappen die Kinder gerade solche Ausdrücke mit Vorliebe auf. Fräulein Zögling wird in dieser Hinsicht ein gutes Gegengewicht abgeben.«
Hellwang schluckte die Antwort hinunter, er >unterwarf sich dem Zwang, Worte zu unterdrücken, die auch in Gegenwart seiner verehrten Schwiegermutter besser unausgesprochen blieben« und wurde sich mit wachsendem Unbehagen darüber klar, daß er hinfort manches würde hinunterschlucken müssen. Luisa, sein prachtvoller Kamerad, war nie in Ohnmacht gefallen, wenn er einmal im großen Männerzorn über Verleger, Steuerbehörden, die Regierungspolitik und sonstige Widrigkeiten des Lebens die Überdruckventile geöffnet hatte. Sollte er von nun ab wie ein Gast im eigenen Hause zu Tisch sitzen, mit der Miene heiter verbindlicher Geselligkeit und einer stets festlich gestimmten Plauderharfe in den Händen? Was dann, wenn seine Schweigezeiten über ihn kamen? Wenn die Arbeit stockte, wenn die Gedanken zäh wie Leder wurden, wenn er wie ein gereizter Löwe durchs Haus knurrte, so daß sogar Kathi nur noch auf Zehenspitzen durch die Zimmer schlich, den Staubsauger in der Besenkammer ließ und die Teller beim Abwaschen einzeln in die Spülschüssel tunkte, um jedes störende Geräusch zu vermeiden?
Er wagte nicht, daran zu denken. —
Und nun, da nach Meinung der alten Dame alles so prächtig geordnet war, überfiel sie die Unruhe und der Wunsch, hier ihre Zelte abzubrechen: »Sei mir nicht böse, Konrad, wenn ich euch schon morgen verlasse. Ich mache mir große Sorgen um Vater. Das Rheuma plagt ihn, und seine Briefe werden immer spitzer. Nun, sechsundsiebzig Jahre sind schließlich ein Alter, wo der Mensch seine gewohnte Ordnung braucht. Die gute Frau Danzer ist ja eine zuverlässige Person, und sie kocht auch soweit ganz schmackhaft, aber sie läßt sich vom Fleischer die zähesten Stücke auf schwatzen. Dafür hat sie einfach keinen Blick. Vater hat sich im letzten Brief darüber beklagt, daß sogar die Dämpfkarbonade ungenießbar war. Ich bitte dich, Dämpfkarbonade, die auf der Zunge zergehen müßte. Und wenn etwas mit seiner Verdauung nicht stimmt, wird er genauso ungenießbar wie das Fleisch, das meine Frau Danzer einkauft. Ich will mir jedenfalls keine Vorwürfe machen müssen, wenn ich ihn daheim womöglich krank antreffe. Und für die acht Tage bis zu Fräulein Zöglings Einzug ins Haus kann ich euch wohl der Kathi unbesorgt überlassen, nicht wahr?«
»Selbstverständlich, Mama!«
»Weißt du, ich werde Kathi einen Küchenzettel hinterlassen und ihr das Rezept von dem Hamburger Ochsenschwanzragout noch einmal ganz genau erklären. Sie läßt das Fleisch am Anfang nicht genug bräunen, und sie spart mit dem Rotwein, das ist ihr Fehler, deshalb schmeckt dann natürlich die Soße so leer.«
Er mußte lachen, so sehr ihn die Besorgnis
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