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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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— Trübsal blasen war ja nie meine Sache. Aber nun lag über allem der Schatten von Luisas Tod. Und wie du deine Ankunft in München so überraschend meldetest, da war mein erster Gedanke: Arme Trix, viel Freude wirst du bei uns nicht erleben. — Und dann mußte auch noch die Geschichte mit Brittas Erkrankung dazukommen. — Ich bin selbstsüchtig, aber auch ehrlich genug, dem Himmel zu danken, daß er dich gerade zur rechten Zeit schickte. Aber für dich waren diese Wochen leider alles andere als ein Vergnügen.«
    »Du scheinst mich für sehr vergnügungssüchtig zu halten.«
    »Nun, es müßte ja mit dem Teufel zugehen, wenn dir ein Kinobesuch oder ein Theaterstück oder eine nette Spritztour mit dem Auto nicht lieber wären als Krankenbesuche und das Ausputzen von verwilderten Erdbeerbeeten!«
    »Ich habe nichts dagegen, das alles im nächsten Sommer gründlich nachzuholen«, gestand sie lachend.
    »An mir soll es nicht liegen! Aber weiß Gott, was bis zum nächsten Jahr alles geschieht...«
    »Was soll schon geschehen? Bei dir geht es doch immer ein wenig auf und ab. Ich sprach vorher gerade mit Dr. Lechner darüber, und wir waren uns einig, daß du um deinen Beruf zu beneiden bist. Ich finde ihn jedenfalls großartig und spannend wie ein Abenteuer, und wenn ich deine Begabung hätte...«
    »Ach, meine Liebe«, unterbrach er sie, »das Abenteuer hat auch seine Schattenseiten. Zuweilen beneide ich meine ehemaligen Studienfreunde, die jetzt auf ihren sicheren Richter- oder Lehrstühlen sitzen.«
    »Ich verstehe das schon, aber trotzdem schaudert es mich manchmal ein wenig, wenn ich an meine Zukunft denke. Ich bin so gar kein Uhrwerksmensch. Und wenn es auch ein tröstlicher Gedanke sein mag, daß am Ersten die Kohlen stimmen, so wenig kann ich mich damit abfinden, daß ich mein Leben lang in den Dienst gespannt sein werde wie ein Schalterbeamter.«
    »Nanana!« machte er und wiegte zweifelnd den Kopf.
    »Es ist aber so«, sagte sie, »und das Schlimmste ist, daß man mit der Zeit Routine bekommt und sich darauf noch etwas einbildet.«
    Hellwang scharrte mit der Sohle ein paar Erdkrumen an den Rand des Beetes und trat sie fest: »Ich wundere mich eigentlich, Trix«, sagte er nach einem kleinen Zögern, »daß du nicht geheiratet hast. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es dir an Bewerbern gefehlt hat.«
    Sie errötete flüchtig: »Das gerade nicht — aber der Richtige wird wohl nicht dabei gewesen sein...«
    »Du mußt doch in der langen Assistentenzeit Dutzende von Kollegen kennengelernt haben«, meinte er hartnäckig.
    »Natürlich — aber ich heirate doch nicht, um fachzusimpeln. Das kann ich billiger haben.«
    Ein heftiger Windstoß fuhr heran. Er fegte durch die Hecke, bog sie nieder und spritzte ein paar Regentropfen gegen ihre Gesichter. Trix schaute besorgt empor und beobachtete den Flug der Wolken. Der Wind preßte das Kleid gegen ihren Körper und modellierte ihre schlanken Beine. Hellwang sah, wie das Blut in dem gespannten Bogen ihrer Kehle pulste. Sie trug ein Dirndl aus blauem Wollstoff. Den Spenzer schlossen matt glänzende Münzenknöpfe, auf die der Tiroler Doppeladler geprägt war, sie liefen in einer silbernen Kurve vom Halsschluß unter die Schleife der gelben Schürze.
    »Hoffentlich läßt das Wetter mich noch mit dem Beet fertig werden. Was meinst du, Konrad, solange der Wind anhält...«
    Hellwang öffnete den Mund, als hätte er sekundenlang vergessen zu atmen. »Solange der Wind anhält, kommt es gewiß nicht zum Regnen«, sagte er etwas abgewürgt und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Wir haben bis zum Essen noch eine volle Stunde Zeit. Ich werde sie ausnutzen und noch ein paar Seiten lesen.« Er nickte ihr zu, ohne sie dabei anzusehen, und ging über den Rasen zur Haustür.
    Trix stand ein paar Sekunden lang reglos da und starrte ihm nach. Die dünnen, niederhängenden Zweige der Weide streiften seine Schulter und fielen wie steife Schnüre nieder. Der Wind erlaubte sich einen Scherz und blies seine Haare von hinten auf. Es sah komisch aus und ähnelte dem Kunststück eines Clowns, den sie einmal mit den Kindern im Zirkus Krone gesehen hatte. Aber sie lächelte nicht. Ihr strömte langsam das Blut ins Gesicht und sie spürte das Aufsteigen einer sanften Wärme, die bis unter ihre Kopfhaut drang, die wohltuend von ihr Besitz ergriff und sie mit einer angenehmen Schwäche füllte, als wäre ein Zauberbann über sie geworfen. Es war süß und erschreckend zugleich. Ihre

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