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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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begreiflich, daß sie im Akkordtempo zwischen Erdbeerbeet und Komposthaufen hin- und hersausten. Es dauerte eine Weile, bis Trix ihnen hinter den Schwindel kam, daß sie die Körbe nur sehr flüchtig füllten und um so mehr schnauften. Söhncen besaß sogar die Frechheit, einen gänzlich leeren Korb keuchend bis hinter die Hausecke zu schleppen, dort ein wenig zu warten, erschöpft zurückzukommen und von Trix ultimativ eine Lohnerhöhung zu verlangen. Darauf entließ Trix die beiden Faulpelze fristlos und stellte sie erst wieder in ihren Gartenbaubetrieb ein, als sie reumütig unter den alten Lohnbedingungen die Arbeit wieder aufzunehmen versprachen.
    Das Wetter hatte sich mit dem Mondwechsel verändert. Kathi stellte es triumphierend fest. Sie hielt etwas auf den Mond und auf die Planeten, von denen es trockene und >wassrige< gab, während Hellwang behauptete, das wäre alles Blödsinn und ob zunehmend oder abnehmend, ob Mars oder Saturn, das Wetter denke nicht daran, sich nach dem Mond zu richten. Dieses Mal hatte Kathi recht, der Himmel war grau bezogen, und der Westwind fegte schwere Wolken heran. Die Bäume waren kahl, die letzten Astern faulten an den Stengeln, und nur die safrangelben und rotbraunen Chrysanthemen blühten noch Allerseelen entgegen. Von der Würm her krochen allnächtlich Nebel feucht und kalt heran, die sich erst gegen Mittag auflösten. Sie hüllten die letzten Blumen in den Gärten noch in ihr wärmendes Kleid. Eine klare Nacht konnte den ersten Frost bringen.
    Britta lag jetzt schon über drei Wochen im Spital. Die äußeren Krankheitsmerkmale waren zurückgegangen, sie lag ohne Schmerzen in ihrem Bett, spielte mit Helga Häfner endlose Partien Halma, Mühle und Mensch-ärgere-dich-nicht, und ihre Aufgabe bestand nur noch darin, Geduld zu haben, um den gefährlichen Folgeerkrankungen der Diphtherie zu entgehen. Hellwang besuchte sie täglich, häufig mit Trix oder mit Kathi zusammen, manchmal auch allein. Er durfte mit ihr natürlich nicht sprechen. Wenn er kam, schob Schwester Gertrude Brittas Bett in die Nähe des Fensters, an dem er in dem Besuchsraum der Infektionsabteilung stand. Er lächelte Britta zu und versuchte, sich mit ihr in der kurz bemessenen Besuchszeit durch Zeichen und Gebärden zu verständigen. Stets brachte er ihr etwas mit, was ihr die Langeweile verkürzen sollte, einen neuen Teil zu ihrem Metallbaukasten, ein verzwicktes Geduldspiel oder eine Bildermappe. Aber sie war doch immer ein wenig enttäuscht, wenn er allein kam. Dann hob sie fragend das Gesicht, und in der überdeutlichen, lautlosen Taubstummensprache, in der sie sich zu unterhalten gezwungen waren, preßte sie die Zunge dreimal gegen die Schneidezähne, und er erkannte die drei T der Frage: »Tante Trix? Wo ist sie? Weshalb hast du sie nicht mitgebracht?<
    Wenn Hellwang Kathi mitnahm, machte er zwischen ihr und Britta den Dolmetscher. Kathi fand Britta spitznasig und abgemagert. Ihre Hauptsorge war, ob Britta auch gut verpflegt würde. Britta mußte stets erzählen, was es in den letzten Tagen zu essen gegeben hatte, und Kathi unterzog das, was sie zu hören bekam, einer vernichtenden Kritik.
    »Also mit dem Essen ist’s fei nix, Herr Doktor«, stellte sie auf der Heimfahrt fest; »Kruzitürken, dafür is es doch a Kinderspital, daß sie den Kindern auch ihre Schmankerl vorsetzen dürften. Wo unsere Britta für rote Grütze mit Vanillensoß ihr Leben laßt!
    — Und dann, Herr Doktor, also da wird allweil geredet, daß wir im Zeitalter der Erfindungen leben. Auch so ein Schmarrn! Auf den Mond fliegen, das können sie, und zur Venus wollen sie und wasweißich wohin. Aber da mußt hinterm Fenster stehen und mußt Fratzen schneiden wiara Aff, wenn mit’m kranken Kind reden wuist. Was wär schon dabei, wenn sie an jedem Bett a Telefon hinhängen taten und heraußen auch ans, und nachha könnt man sich doch a wen’g unterhalten, und für die Kinder wär’s nur halb so fad.«
    Und als sie sich Greiffing näherten, nahm Kathi die Unterhaltung noch einmal auf. Sie setzte dabei ihre biedere Miene auf, die den Kindern sofort das Zeichen gewesen wäre, daß sie etwas im Schilde führte. »Und wie die Britta an ihrer Tante Trix hängen tut!« sagte sie mit öliger Stimme, »akkurat wie an der seligen Frau. Und die beiden anderen Kinder grad so! Mich kennen’s Überhaupts nicht mehr. Allweil hoaßt’s nur Tante Trix hier und Tante Trix da.« Und als Hellwang schwieg, fügte sie nach einer kleinen Weile sanft

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