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Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Titel: Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Constable
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und hätten genauso gut marsianisch sein können, so wenig sagten sie mir. Trotzdem formte ich sie lautlos mit den Lippen, um zu demonstrieren, dass ich die Sache ernst nahm. Eine der größeren Pflanzen hatte ein Schild an ihrem Stängel hängen. Vorsichtig drehte ich es um, um zu sehen, was darauf stand: HALLO BC .
    Ich zuckte leicht zusammen und sagte: »Oh.« Dann drehte ich das Schild zurück und las die andere Seite: »Welche Pflanze lockt Schmetterlinge an?«
    Als ich zu dem Mann hochblickte, wirkte er sichtlich zufrieden mit sich.
    Ich wollte etwas sagen, hielt dann aber inne. »Sie haben das hier gesehen?«, fragte ich ihn schließlich.
    »Ja«, antwortete der Mann.
    Ich dachte einen Moment nach. »Sie kennen Butterfly?«
    »Boff.« Der Mann vollführte eine liebenswert gallische Geste, um mir zu bedeuten, dass er dazu nichts sagen konnte.
    »Kennen Sie eine Pflanze, die Schmetterlinge anlockt?«
    »Ja, es gibt eine Pflanze, die nennt sich Buddleja. Schmetterlingsflieder. Sie ist sehr verbreitet.«
    »Und haben Sie so eine hier?«
    »Nein, leider.«
    »Wie sieht sie denn aus?«
    »Das ist ein Strauch mit kleinen Blüten in Violett, die wie Zapfen geformt sind, in etwa so«, er zeigte mir die Größe mit den Händen.
    »Danke. Vielen herzlichen Dank. Ich glaube, ich weiß, wo ich so eine finde.«
    »Was …?«, setzte er an und machte eine Kopfbewegung, um sich zu vergewissern, dass ich dasselbe dachte wie er (jedoch ohne mir etwas zu verraten, was ich noch nicht selbst herausgefunden hatte).
    »Genau«, sagte ich.
    Der Mann nickte erst mir zu und dann den Frauen hinter uns, die uns noch immer interessiert beobachteten.
    Ich ging die Rue du Retrait entlang, setzte mich auf einen der niedrigen Betonpoller in der Cité de l’Ermitage und zündete mir eine Zigarette an. Dies war die kopfsteingepflasterte Straße, in der Tomomi Ishikawa und ich hin und wieder spätnachts zusammen geraucht hatten. Schließlich lief ich die Rue Ménilmontant hinunter und bog nach links ab, wo sich an einem kleinen Platz eine Bar befand, in die ich hin und wieder gern ging.
    Als ich die Bar verließ, dämmerte es und ich war ein bisschen angetrunken, was mir beides ganz gelegen kam. Ich ging den Hügel Richtung Gambetta wieder hinauf und fand die Traumstraße ohne Probleme. Als ich vor dem Tor von Papilles et Papillons ankam, warf ich kurz einen Blick nach links und rechts, kletterte über den Zaun und duckte mich. Ich holte mein Feuerzeug hervor, um den Schmetterlingsflieder mit den lila Blüten zu untersuchen. Er war mit einem Schildchen versehen, demzufolge es sich definitiv um eine Buddleja handelte, aber ich sah keinen weiteren offensichtlichen Hinweis oder Schatz. Ich scharrte ein bisschen in der Erde unter dem Strauch herum und durchsuchte dann meine Tasche nach etwas, womit ich graben konnte. Alles, was ich fand, war Butterflys Edelstahl-Kuli. Besser als gar nichts. Ich stocherte und buddelte in der weichen Erde, bis ich in ein paar Zentimetern Tiefe auf Plastik stieß, und legte behutsam ein notizbuchgroßes Päckchen frei.

7

    J AY
    Cat taucht für gewöhnlich in Form eines Schattens oder einer Bewegung am Rand meines Blickfeldes auf. Auch diesmal, als ich die Wohnungstür schloss, sah ich aus dem Augenwinkel, wie er auf mich zugeschlichen kam, um dann mit einem Satz auf die Arbeitsplatte zu springen. Ich kochte mir etwas und setzte mich zum Essen auf einen Hocker, während Cat so tat, als wäre das Päckchen aus dem Garten ein Vogel oder eine Maus (oder was er sonst gern ein bisschen quält, bevor er es tötet – wahrscheinlich sehr viel größere Tiere, Ziegenbabys oder so). Ich schubste es auf den Boden und Cat starrte erst mich und dann das Päckchen an. Ich hob es wieder auf und öffnete es. Darin war ein Notizbuch, und während ich mir weiter unter Cats wachsamem Blick Spaghetti in den Mund schaufelte, begann ich zu lesen.
    Jay Hara (1970 – 1998)
    An Jay konnte ich mich noch aus meiner Kindheit erinnern. Er war entfernt mit Komori verwandt, meinem Kindermädchen, und kam aus Pasadena in Kalifornien, war aber aus irgendeinem Grund mit acht oder neun Jahren für ein paar Monate in New York zu Besuch gewesen. Danach hatten sie ihn nach Tokio geschickt.
    Dann, mit zwanzig, kehrte er nach New York zurück und mein Kindermädchen bat mich, mich ein bisschen um ihn zu kümmern. Ich war sechzehn. Sein richtiger Name war irgendetwas Japanisches, das kein bisschen wie Jay klang, aber so stellte er sich nun mal vor, mein

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