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Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Titel: Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Constable
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Einwanderern aus mehreren Immigrationswellen ein Zuhause bietet. Es liegt auf dem zweithöchsten Hügel von Paris und erstreckt sich vom Parc des Buttes-Chaumont im Norden bis zum Friedhof Père Lachaise im Süden. Bevor es im Jahr 1860 vom stetig wachsenden Paris geschluckt und auf nicht weniger als vier Arrondissements aufgeteilt wurde, war Belleville ein eigenständiges Dorf. Grund für diese Eingemeindung war die Angst der Pariser vor dem dort herrschenden militanten Lokalpatriotismus. Nichtsdestotrotz konnte sich das Viertel seine Einzigartigkeit bis heute bewahren, und als sich die Pariser Kommune im Jahr 1871 kurzzeitig von Frankreich unabhängig erklärte, waren es die Barrikaden von Belleville und dem zugehörigen Ménilmontant, die dem Rückeroberungsfeldzug der staatlichen Truppen am längsten standhielten.
    Obwohl das Viertel zunehmend Künstler und Bewunderer eines bohemistischen Lebensstils anzieht, trotzt Belleville bis heute der Gentrifizierung. Große ostasiatische und nordafrikanische Bevölkerungsgruppen prägen den multikulturellen Charakter des Stadtteils, dessen schmale, ansteigende Kopfsteinpflasterstraßen als stolzes Zeichen von Wohlstand und in Erinnerung an seine dörfliche Vergangenheit von Ateliers, Bars, Kleinkunstbühnen, Geschäften, Wohnhäusern und Gärten gesäumt sind. Die Gebäude sind (verglichen mit den sechsstöckigen Haussmann’schen Fassaden, die den Rest des Stadtbilds dominieren) eher niedrig gehalten, was auf die Bodeninstabilität aufgrund natürlicher unterirdischer Wasserläufe und fortschreitender Erosion zurückzuführen ist. Zudem verläuft unter dem einstigen Bergbaugebiet ein wahres Labyrinth ehemaliger Minen, die allerdings, anders als die Tunnelsysteme linksseitig der Seine, nach einer Reihe struktureller Befestigungsmaßnahmen heute zum größten Teil nicht mehr zugänglich sind.
    Ich dachte an die vielen Straßennamen in der Gegend, die in irgendeiner Weise mit Wasser zu tun hatten, wie die Rue des Cascades oder die Rue des Rigoles. Aber wenn das hier ein Hinweis war, dann hatte ich keine Ahnung, wo ich anfangen sollte zu suchen. Die nächste Datei, die ich anklickte, war ein wenig vielversprechender.
    Außergewöhnliche Gärten
    Im dicht besiedelten Stadtgebiet von Paris ist wenig Platz für Privatgärten. Hin und wieder aber findet die Natur auch einen Weg in die urbansten Gegenden, sodass Paris eine exquisite Sammlung der außergewöhnlichsten Grünanlangen bereithält. Einige sind erst nachträglich in die Infrastruktur eingefügt worden, wie der wundervolle Jardin Atlantique auf dem Dach des Gare Montparnasse oder die Promenade plantée (auch oft als Coulée verte bezeichnet) – eine stillgelegte Bahnstrecke mit Viadukten, Unterführungen und Tunneln, die von der Bastille bis zum Bois de Vincennes verläuft und mit Bäumen, Sträuchern, Bänken, Radwegen und sogar drahtlosem Internetzugang zu einer öffentlichen Grünfläche umgestaltet wurde. Etliche der bemerkenswertesten Gärten sind jedoch das Werk von Privatpersonen – von Balkonen oder Fensterbrettern ranken wahre Urwälder an den Gebäudewänden hinab. Darüber hinaus findet man zahllose Gemeinschaftsgärten, die Anwohner auf brachliegenden Flächen angelegt und ganz nach ihren persönlichen Aroma- und Farbfantasien gestaltet haben. Der Garten Papilles et Papillons (Geschmacksknospen und Schmetterlinge) erstreckt sich im 20. Arrondissement an der Rue Gasnier-Guy, der steilsten Straße von Paris, über mehrere Terrassen. Nach einem kurzen Marsch bergauf gelangt man zum Jardin des Soupirs (was Seufzer oder auch süße Worte bedeutet, je nachdem, welche Übersetzung man präferiert). Es gibt kaum etwas Schöneres, als dort zu sitzen und über den Tag nachzusinnen, während die Strahlen der untergehenden Sonne die Mauern in rosafarbenes Licht tauchen.
    Ich war ein bisschen neidisch, dass Butterfly all diese Orte kannte und ich nicht. Es war, als wäre ich meiner Pflicht, die Stadt, in der ich lebte, zu erkunden, nicht angemessen nachgekommen, während sie geheimes Wissen erlangt und ihren sonderbaren Streifzügen damit Sinn und Wert verliehen hatte. Andererseits hatte Tomomi Ishikawa nun mal ein ziemlich seltsames Verhältnis zu dieser Stadt gehabt.
    »Ich liebe Paris«, hatte sie einmal zu mir gesagt.
    »Ja, ich auch«, hatte ich erwidert.
    »Nein, tust du nicht.« Ihre Stimme klang vorwurfsvoll.
    »Natürlich. Sonst würde ich doch wohl nicht hier leben.«
    »Ach, du liebst es also so sehr, dass du

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