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Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Titel: Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Constable
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diesmal hatte ich eine Flasche Wein in der Tasche. Ich sah Beatrice an, beschloss, kein Feigling mehr zu sein, und drückte auf die Klingel.
    Ein Klicken ertönte und gleich darauf ein Summen. Beatrice öffnete die Tür und hielt sie für mich auf. Ich warf ihr einen Blick zu, der Wie bitte? besagte, und sie bedeutete mir mit ihren Augen, mich gefälligst zu sputen.
    »Wo lang denn?« Werden wir nicht alle ein bisschen unselbstständig, wenn wir das Gefühl haben, dass jemand anderes schlichtweg besser darin ist, für uns die Entscheidungen zu treffen, selbst bei den einfachsten Dingen?
    »Nach oben.«
    »Ah ja.«
    Wir stiegen bis in den obersten Stock hinauf und ich klopfte.
    Eine Frau kam an die Tür und begrüßte uns mit: »Oh, hallo«, als hätte sie jemand anderen erwartet, und schenkte uns ein zweckmäßiges Lächeln.
    »Hi«, grüßte ich zurück. »Bitte entschuldigen Sie die Störung, aber Sie könnten mir möglicherweise mit etwas weiterhelfen.«
    »Ja, bitte?«
    »Es ist ein bisschen kompliziert zu erklären, aber …«
    »Wenn Sie irgendetwas verkaufen wollen, sparen Sie uns allen bitte die Zeit – ich bin nicht interessiert.«
    »Nein, ich möchte Ihnen nichts verkaufen, ich versuche nur, etwas zu finden, was jemand hier versteckt hat.«
    »Sind Sie von den Zeugen Jehovas?«
    »Nein. Also, ich zumindest nicht«, erwiderte ich.
    »Ich bin Atheistin«, fügte Beatrice hinzu.
    »Sind Sie eine Zeugin Jehovas?«, fragte ich die Frau. Ich wollte möglichst aufgeschlossen rüberkommen.
    »Ich bin Jüdin«, entgegnete sie.
    »Oh, wenn ich gläubig wäre, dann wäre ich auch Jüdin«, rief Beatrice, als wüsste sie die richtige Antwort auf eine Quizfrage.
    Sollte ich überhaupt einen Plan gehabt haben, wie ich die komplizierte Situation einer völlig Fremden an ihrer Wohnungstür erklären wollte, dann war er in diesem Moment gescheitert.
    »Oh Mann«, seufzte ich und ergab mich der Absurdität des Augenblicks. »Da fällt mir was ein.« Ich zog das Visa-Antragsformular, das ich am Flughafen mitgenommen hatte, aus der Tasche. »Dann werden Sie beide erfreut sein zu hören, dass alle ehemaligen Nazis, die nicht schon über die amerikanische Staatsbürgerschaft oder ein Visum verfügen, gebeten werden, bei der Einreise ihre Verbrechen zu gestehen.« Ich hielt das Formular hoch, damit die zwei mitlesen konnten, während ich zitierte: »… waren Sie zwischen 1933 und 1945 in irgendeiner Weise an Verfolgungsmaßnahmen in Zusammenhang mit dem Naziregime oder dessen Verbündeten beteiligt?«
    »Was ist denn das?«, wollte die Frau wissen.
    »Das Formular, das man bei der amerikanischen Grenzkontrolle ausfüllen muss. Sieh sich einer diese Fragen an.« Ich deutete auf das Blatt Papier.
    »Leiden Sie an einer ansteckenden Krankheit?«, las Beatrice vor.
    »Waren Sie jemals oder sind Sie gegenwärtig an Spionage- oder Sabotageakten, an terroristischen Aktivitäten oder an Völkermord beteiligt?«, fügte die Frau trocken hinzu.
    »Oje, da haben Sie mich erwischt«, sagte ich. »Tut mir leid, ich dachte, ich würde irgendwie damit durchkommen, aber nun, da Sie mich so direkt danach fragen, kann ich einfach nicht lügen – ja, ich bin ein Spion. Tja, jetzt ist meine Tarnung wohl aufgeflogen.«
    Die Frau starrte mich an – perplex und amüsiert zugleich.
    »Und hier.« Ich wusste, ich hätte aufhören sollen, aber die Worte sprudelten einfach aus mir heraus. »›Beabsichtigen Sie, in den Vereinigten Staaten einem Beschäftigungsverhältnis nachzugehen, oder wurden Sie jemals vom Aufenthalt in den USA ausgeschlossen und abgeschoben, oder wurden Sie aus den Vereinigten Staaten ausgewiesen oder haben Sie sich aufgrund von Täuschung oder Falschangaben ein Visum oder Zutritt zu den Vereinigten Staaten verschafft oder haben den Versuch dazu unternommen?‹ Wie viele Fragen auf einmal sind das denn?«
    »Fünf«, antwortete Beatrice.
    »Wie kannst du das so schnell sagen?«, fragte ich.
    »Ich kann eine ganze Menge«, erwiderte sie.
    »Tja, also ich bin eigentlich gerade ziemlich beschäftigt«, sagte die Frau und wollte sich schon in ihre Wohnung zurückziehen, doch ein Anflug von Neugier hielt sie davon ab, die Tür komplett zu schließen. »Was wollten Sie denn nun eigentlich?«
    »Oh, tut mir leid«, sagte ich schnell. »Ich glaube, Sie haben vielleicht etwas für mich oder jemand hat etwas bei Ihnen gelassen, das Sie mir aushändigen sollen.«
    »Mir hat niemand etwas für Sie gegeben.«
    »Vielleicht ist es auch

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