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Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Titel: Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Constable
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jemanden. Ich hatte Sie für meinen Besuch gehalten. Aber wissen Sie was, in Frankreich muss es doch jetzt schon früher Abend sein. Was halten Sie davon, wenn wir uns ein Glas von diesem Wein genehmigen und einen kurzen Blick auf mein Klavier werfen?«
    »Excellente idée!«, sagte Beatrice ohne auch nur den geringsten Akzent und ich lachte.
    »Aber ich habe nur zehn Minuten«, warnte die Frau.
    Ich sah Beatrice an und sie übermittelte mir ihre telepathischen Glückwünsche dafür, dass ich es durch die Tür geschafft hatte. Ich ließ ihr den Vortritt, als wäre ich ein perfekter Gentleman.
    »Hier muss irgendwo ein Korkenzieher sein.« Die Frau streckte die Hand nach der Flasche aus und entkorkte sie fachkundig, bevor sie drei Gläser aus dem Schrank holte. »Sollen wir nach nebenan gehen?«
    Sie führte uns in ein Wohnzimmer, in dem sich eine ganze Menge Bücher und ein Klavier befanden. Sie stellte die Gläser auf ein niedriges Tischchen und schenkte den Wein ein. Beatrice und ich setzten uns aufs Sofa.
    »Sind Sie Musikerin?«
    »Klavierlehrerin«, antwortete die Frau, »aber ich spiele auch privat viel.«
    Ich hob mein Glas. »Zum Wohl.« Beatrice und die Frau taten es mir nach.
    »Mmm. Gute Wahl«, befand Beatrice.
    »Der ist wirklich wunderbar«, bestätigte die Frau aufrichtig.
    »Er hat ihn im Weinladen hier um die Ecke gekauft«, verriet Beatrice und ich warf ihr einen vernichtenden Blick zu.
    »Also haben Sie ihn nicht aus Frankreich mitgebracht«, sagte die Frau lachend und ich bedeutete Beatrice mit den Augen, dass sie alles verdorben hatte.
    »Ich habe den Hinweis erst vor einer Stunde gefunden. Ich wusste ja nicht, dass ich einen Wein für alle Fälle hätte einstecken sollen. Außerdem ist mein Gepäck sowieso verloren gegangen.«
    »Sie haben Ihr Gepäck verloren?«
    »Na ja, eher die Fluggesellschaft«, erwiderte ich. »Dürfte ich mir dann mal das Klavier ansehen?«
    »Nur zu«, sagte die Frau, ging mit mir zu dem Instrument und klappte den Deckel auf.
    Ich schlug ein paar Tasten an, als hätte ich Ahnung davon.
    »Ich fürchte, ich muss mal einen Blick hinter die Verkleidung werfen. Wäre es in Ordnung, wenn ich sie abnehme?«
    »Ich bin sicher, Sie wären vorsichtig, aber ich würde es trotzdem lieber selbst machen«, erwiderte die Frau.
    »Natürlich, das verstehe ich.«
    Sie löste die Verkleidung von der Front des Klaviers. Wir spähten beide hinein und schließlich gesellte sich auch Beatrice zu uns.
    »Ich sehe nichts«, stellte Beatrice fest.
    »Nein.«
    »Der Klavierstimmer hat auch nie irgendetwas Außergewöhnliches gefunden. Wonach suchen wir denn eigentlich?«
    »Höchstwahrscheinlich einen braunen Umschlag.«
    »Sehen wir doch mal hinter der unteren Verkleidung nach.«
    Im vorderen Teil des Gehäuses war nichts zu entdecken.
    »Vielleicht hinter dem Resonanzboden?«, überlegte sie dann und ich war erleichtert, dass nicht ich derjenige sein musste, der vorschlug, das Klavier von der Wand abzurücken, um hinter die dortige Verkleidung zu sehen. »Wir müssen es ein Stück vorziehen.«
    »Halt«, sagte Beatrice plötzlich, kniete sich hin und schob ihre Hand von unten hinter den hellen Resonanzboden des Instruments. Wir traten aus dem Weg, als sie auf Händen und Knien am Klavier entlang von rechts nach links rutschte, dann hockte sie sich wieder in die Mitte und quetschte ihre rechte Hand rabiat in die schmale Lücke. Ich hörte, wie sie im Gehäuse herumtastete. »Ruft die Feuerwehr. Ich stecke fest!«
    »Im Ernst?«
    »Quatsch.« Damit zog sie die Hand wieder heraus, erhob sich und überreichte mir triumphierend einen großen, unbeschrifteten braunen Umschlag. Ich nahm ihn entgegen, setzte mich hin und öffnete ihn. Darin war ein Notizbuch, auf dessen Deckel in großen Buchstaben das Wort Komori stand. Ich stürzte den Rest meines Weins hinunter, während die Frau und Beatrice an ihrem nippten und mich erwartungsvoll beobachteten.
    Ich blätterte flüchtig durch die mit Butterflys blauer Handschrift gefüllten Seiten und schlug das Buch wieder zu.
    »Und?«, fragte Beatrice.
    »Das ist es.«
    »Bist du sicher?«
    Ich schlug die erste Seite des Notizbuchs auf und hielt den Hinweis aus dem Park daneben. »Es ist ihre Handschrift.«
    Beatrice und die Frau beugten sich vor. Ich ließ sie die Seite eine Weile betrachten und klappte das Buch dann abrupt zu.
    »Ich glaube, ich sollte es als Erster lesen«, erklärte ich.
    Beide wichen hastig zurück, als ihnen ihre Indiskretion bewusst

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