eher Sterbehilfe.«
»Okay.«
Nachdenklich ließ ich meine Zähne aufeinanderklacken. »In meinem Kopf herrscht gerade ein ziemliches Chaos«, gestand ich.
»Kein Wunder.« Sie nickte.
»Ich habe schon zwei andere Texte gelesen, in denen Tomomi Ishikawa beschreibt, wie sie jemanden tötet, und auch in den beiden klingt das Ganze mehr wie ein Akt der Barmherzigkeit, aber das ist doch verrückt. Es bestand überhaupt keine Notwendigkeit. Das Kindermädchen wäre so oder so gestorben. Und die anderen – keine Ahnung. Keiner von den Morden war nötig. Sie wären alle entweder gestorben oder eben nicht. Was hatte sie damit zu tun?«
Beatrice starrte mich an, um zu ergründen, ob ich log oder scherzte. »Mein Gott.« Dann wurde sie kreidebleich, als hätte ich ihr gerade eine schreckliche Nachricht unterbreitet. »Wer waren denn die anderen beiden Leute?«
Mein Gesicht kribbelte, ich fühlte mich wie ein Verräter. »Äh … ein Neffe ihres Kindermädchens und irgendein Fremder, den sie am 11. September 2001 kennengelernt hat.«
»Okay«, hauchte sie und die Farbe kehrte in ihr Gesicht zurück. »Also ist deine Butterfly (und meine Vermieterin) eine Mörderin.«
»Meine Butterfly ?«, dachte ich laut.
»Glaubst du wirklich, dass sie diese Leute umgebracht hat?«
»Ich weiß es nicht. Ich hätte es nicht von ihr gedacht, aber sie hat das alles so beschrieben, als wäre es genau so passiert.«
»Dir ist schon klar, dass die Tatsache, dass sie drei oder mehr Menschen in einigem zeitlichen Abstand getötet hat, sie zu einer Serienkillerin macht, oder?«
»Woher kennst du denn so genau die Kriterien für Serienkillertum?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Mein Gehirn speichert einfach alle möglichen Informationen.«
»Sieht ganz so aus.« Ich blickte sie fest an. »Warum hast du sie Butterfly genannt?«
Beatrice’ Miene wurde ausdruckslos und sie errötete leicht. »Ist das nicht ihr Spitzname? Ich dachte, du hättest sie mal so genannt.«
Ich konnte mich nicht entsinnen, Butterfly in Beatrice’ Gegenwart jemals so genannt zu haben, aber ich konnte auch nicht sicher sein, dass dem nicht so war.
»Stimmt, ich nenne sie meistens Butterfly«, lenkte ich ein. Doch es gab etwas Wichtigeres, das ich sie fragen musste. »Da ist noch was.«
»Was denn?«
»Hast du schon mal von einem gewissen Charles Streetny gehört?«
»Nein.«
»Könnte das vielleicht der Name von Tomomi Ishikawas Anwalt sein oder so?«
»Woher soll ich wissen, wie ihr Anwalt heißt? Warum fragst du?«
»Hier.« Ich reichte ihr die E-Mail, die ich in dem Internetcafé ausgedruckt hatte, und ging kurz nach draußen, um zu rauchen, während sie las.
An: Benjamin Constable
Von:
[email protected] Betreff: Weitergeleitete Nachricht von Tomomi Ishikawa
Gesendet: 21. 08. 2007 17 : 04 (GMT+2)
Sehr geehrter Benjamin Constable,
wir kennen einander nicht, aber wir hatten beide Kontakt mit der vor Kurzem verstorbenen Tomomi Ishikawa (Ihnen auch bekannt als Butterfly), in deren Auftrag ich mir heute erlaube, an Sie heranzutreten.
Tomomi hat eine Anzahl von Texten verfasst, die sie mich gebeten hat, zu bestimmten Terminen an Sie weiterzuleiten. Einer dieser Termine war Ihre Ankunft in New York.
Der unten stehende Text wurde im Februar 2007 in Paris geschrieben. Ich hoffe, er findet Ihr Interesse.
Ich wünsche Ihnen einen angenehmen und aufschlussreichen Aufenthalt in den Vereinigten Staaten.
Lieber Ben Constable,
das hier ist dein offizieller Willkommen-in-New-York-Brief! Mein Herz hüpft bei der Vorstellung, wie du durch die Straßen meiner Kindheit wandelst. Ich male mir aus, ich wäre mit dir dort, würde dir Dinge zeigen und Geschichten erzählen, jeden Anblick und jedes Gefühl mit dir teilen, während du meine Stadt erkundest.
Im Moment habe ich ein Bild von dir mit einer riesigen Lupe und einem Deerstalker auf dem Kopf vor Augen, wie du über die Bürgersteige eilst und Hinweisen folgst wie ein brillanter britischer Superdetektiv. Aber du musst den Blick nach oben richten, Ben Constable. Vergiss nicht, über deinem Eifer, nach versteckten Dingen Ausschau zu halten, in der herrlichen Pracht meines Gotham Town zu schwelgen, die in alle Richtungen strahlt.
Du hast also den Schatz im Klavier gefunden. Ich bin ehrlich beeindruckt. In früheren Versionen dieser Mail wollte ich dich mit ausführlichen Beschreibungen seiner Schönheit und Geschichte zum Bryant Park lenken. Man kann sich in New York ganz allein anhand der