Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)
geschickt?«
»Ich habe eine E-Mail geschrieben. Aber die Person, an die ich sie geschickt habe, hätte niemandem davon erzählt.«
»Woher willst du das wissen?«
»Sie ging an Tomomi Ishikawa.«
»Wann ist sie noch mal gestorben?«
»Am 15. März.«
»Und dann hat sie immer noch einen aktiven E-Mail-Account?«
Ich kam mir furchtbar blöd vor. Die Mail, die ich an Butterfly geschrieben hatte, hätte zurückkommen müssen.
»Bist du sicher, dass sie tot ist?«
Mein Gesicht begann zu kribbeln.
»Jede E-Mail ist mit einem Identifizierungscode versehen, der die IP-Adresse des Computers angibt, von dem aus sie gesendet wurde«, erklärte Beatrice. »Und jeder Computer, der mit dem Internet verbunden ist, hat eine eigene Adresse. So kann man jederzeit prüfen, von wo aus auf der Welt eine E-Mail verschickt wurde. Das könnten wir ganz leicht herausfinden, genauso wie derjenige, der die Mail, die du an Butterfly geschickt hast, gesehen haben könnte, dass du in New York bist.«
»Ich nehme mal an, dein ›könnten wir‹ ist hypothetisch gemeint, oder bist du zufällig eine Profihackerin, die Binärcode spricht und versteckte Informationen in E-Mails sichtbar machen kann?«
»Dazu muss man kein Hacker sein. Man braucht bloß den Quelltext zu öffnen, da steht irgendwo die IP-Adresse. Die kopiert man dann auf eine Website, mit der man IP-Adressen zurückverfolgen kann, und weiß zumindest, von welcher Stadt aus die Mail gesendet wurde. Und wenn man Glück hat, erfährt man sogar noch ein bisschen mehr.«
»Eine Website, mit der man IP-Adressen zurückverfolgen kann?«, wiederholte ich.
»Davon gibt es haufenweise. Sind nicht mal schwer zu finden.«
»Woher weißt du denn so was?«
»Viel interessanter finde ich die Frage, warum so viele Leute nicht davon wissen.«
»Dann würde ich das jetzt gerne machen.«
»Das geht leider nicht, ich bin nämlich gerade erst angekommen. Bestell dir noch ein Bier. Anschließend können wir gehen und dann zeige ich dir etwas ziemlich Interessantes.«
»Was denn?«
»Einen kleinen New Yorker Schatz. Ich glaube, deine Freundin Butterfly wäre sehr zufrieden mit mir.«
16
B EATRICE’ GUTE L AUNE LÄSST NACH
Das Getriebe ächzte, Zahnräder schnarrten und die Welt drehte sich ein Stückchen weiter. Mit einem schwindelerregenden Ruck – oder war es völlig unbemerkt? – ging der Nachmittag in den Abend über.
Cat schlich hinter mir hervor und schnüffelte an Beatrice’ Schuhen, dann drehte er den Kopf und schnüffelte an ihren Fußknöcheln. Cat! Er hatte einfach kein Gefühl für Anstand.
»Worum geht es in deiner Doktorarbeit?«, fragte ich.
»Essen.«
»Ach ja, hattest du ja schon gesagt. Menschen und Essen.«
»Es geht um unser aller Verhältnis zu Lebensmitteln, angefangen bei der Verpackung und beim Einkaufen bis hin zu unserem Essverhalten, besonderen Ritualen, Geschmäckern – solche Sachen. Ich beschäftige mich mit der Frage, ob Essen uns als Spezies beeinflusst und ob es alternative Denkweisen gibt, die in globaler, aber auch in kultureller und sogar individueller Hinsicht pragmatischer wären.«
»Ist das deine Standardantwort, wenn dich jemand nach deinem Thema fragt?«
»Äh, so ziemlich.«
»Ich bin nicht sicher, ob ich es genau verstanden habe.«
»Okay, hier mal ein Beispiel: Viele Lebensmittel, die wir als ungesund erachten, essen wir als kleine Belohnungen zwischendurch. Daraus folgt irgendwann, dass wir sie, um uns das Gefühl zu vermitteln, erfolgreich zu sein, die ganze Zeit essen, was unserem Körper ziemlich verwirrende Signale gibt, wie zum Beispiel, dass Erfolg an ungesundes Essen gekoppelt ist. Es gibt noch eine ganze Menge solcher absurder Rückschlüsse, wie zum Beispiel, dass gutes Essen besonders viel Verpackung braucht. Wenn man sich unsere Essgewohnheiten mal genauer vornimmt, ergeben sie meistens nicht besonders viel Sinn.«
»Klingt interessant.«
»Ja, ist es wirklich. Aber auch kompliziert. Es ist einfach so ein weites Feld. Ich muss versuchen, es ein bisschen einzugrenzen.«
»Und wo promovierst du?«
»An der New School.«
»Gibt es die noch nicht so lange?«
»Die Uni heißt einfach so.«
»Und gibt es auch eine Old School?«
»Nein.«
»Kommst du aus New York?«
»Hauptsächlich, ja.«
»Was heißt das?«
»Ich habe an ziemlich vielen Orten gelebt, aber die meisten davon befinden sich in oder im näheren Umkreis von New York. Meine Highschool zum Beispiel ist hier ganz in der Nähe. Und was ist mit dir?
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