Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
konnte. »Warten Sie hier, Athenais,« befahl sie leise, »und geben Sie acht, daß niemand uns überrascht. Ich glaube nämlich, in diesem Gespräch dort drüben ist von Ihnen die Rede. Da will ich einmal horchen. Wenn wir beide zusammen hier bleiben, könnten wir entdeckt werden. Erwarten Sie mich am Saum des Waldes.« Und da die Tonnay-Charente zögerte, setzte sie schroff hinzu: »Gehen Sie!« – Athenais raffte ihr seidenes Kleid und entfernte sich langsam. Die Herzogin kehrte zu dem Gebüsch zurück, in dessen tiefem Schatten sie sich verbarg. – »Ich bin doch begierig, zu hören,« dachte sie. »was Graf von Guiche, dieser verliebte Narr, Herrn Rudolf von Bragelonne von mir zu sagen hat.«
Nach einem kurzen Schweigen ergriff Rudolf das Wort. Er lehnte am Stamme, während sein Freund auf der Bank von Moos saß. – »Lieber Junge,« sprach Bragelonne, »deine Liebe ist dein Unglück. Sie wächst über dich selbst hinaus. Du gehörst dir nicht mehr selbst; der Wahnsinn schlägt über deinem Haupte zusammen wie eine Flut, die dich verschlingt, wie ein Feuer, das dich verzehrt. Und das schlimmste ist, deine Liebe ist so groß, daß sie nicht mehr zu verbergen ist. Alle Welt sieht sie dir an. Du kannst kein Geheimnis mehr daraus machen. Deine Rückkehr ist eine entsetzliche Unbesonnenheit gewesen. Wenn du nicht in letzter Stunde noch dich gewaltsam aufraffst, so steht die Katastrophe nahe bevor; und daß sie ein dir verhängnisvolles Ende nehmen muß, darüber bist du dir wohl nicht im Zweifel. Wer soll dich retten? Sie etwa? Auch sie kann dich von derAnklage dieser sträflichen Liebe, mag sie selbst auch sie nicht geteilt haben, nicht erretten.«
»Mag es so kommen,« antwortete der Graf. »Was ist der Tod? Ich lebe ja jetzt schon nicht mehr; denn ich lebe nur durch sie. Ich bin kein Mensch mehr; meine Kräfte sind erschöpft, meine letzten Entschlüsse sind verschwunden – ich gebe den Kampf auf. Sieh, als ich in dem Ballett trotz der königlichen Verbannung erschien, da dachte ich: du wagst dein Leben, es ist so nicht mehr viel wert. Und sie empfing mich freundlich; ich lebte auf in neuer Hoffnung. Was ist daraus geworden? Nicht ein Wort hat sie mit mir gesprochen – nicht einen Blick hat sie mir nachher noch vergönnt. Als der Tanz beendet war, hatte auch meine Person wieder ausgespielt. Zuerst habe ich mit mir selber gekämpft, dann habe ich gegen Buckingham gekämpft – mit dem König aber kann ich es nicht aufnehmen. Und selbst wenn der König zurücktritt, wo ist die Gewähr, daß ich glücklich würde? Sie ist ja gefühllos.«
»Du kannst ihr keinen Vorwurf machen,« erwiderte Bragelonne, »es ist ihr Temperament: ein wenig leichtfertig und wetterwendisch. Ich gebe zu, wer sein Herz noch nicht vergeben hat, kann sie nicht ansehen, ohne sie zu lieben, denn sie ist schön. Aber du solltest in ihr doch den Rang ihres Gemahls achten und vor allem auf deine eigene Selbstachtung und Sicherheit bedacht sein.« – »O, sprich nicht soviel Gutes von ihr,« fiel Guiche ihm ins Wort. »Ich kenne sie besser: sie ist nicht leichtsinnig, sondern frivol, nicht wetterwendisch, sondern charakterlos. Kurz, sie ist eine raffinierte Kokette ohne Herz. Sie könnte mit kaltem Blute ihr Opfer sterben sehen. O. Rudolf, ich habe Mut und kenne keine Furcht; ich liebealle Gefahren leidenschaftlich – aber hier ist eine Gefahr, die meine Kraft und meinen Mut übersteigt. Und dennoch will ich noch über sie triumphieren. Ich werde vor sie hintreten und ihr zurufen: Ich liebte Sie bis zum Wahnsinn, ich warf mich vor Ihnen in den Staub, aber Sie haben mich in herzloser Laune und in kalter Grausamkeit mit den Füßen getreten. Ob Sie auch eine Prinzessin von königlichem Blute sind, Sie sind der Liebe eines Ehrenmannes nicht wert. Meine Liebe war eine Torheit, für die ich mir selbst die Todesstrafe auferlege, aber ich werde sterben mit dem Gefühl des Hasses wider Sie! Ich verlasse mein Vaterland, in der Fremde wird vielleicht ein Ungar, ein Kroate oder ein Türke die Barmherzigkeit haben, mir eine Kugel in die Brust zu jagen.«
Von Guiche verstummte. Das Gebüsch teilte sich – eine weibliche Gestalt, bleich, doch mit königlicher Haltung erschien vor den jungen Männern. Sie erkannten Lady Henriette. Der Graf sprang auf und stand da wie versteinert. Rudolf war keines Wortes fähig. – »Herr von Bragelonne,« sagte die Herzogin mit leise bebender Stimme, »haben Sie die Güte, sich umzuschauen, ob meine Damen in der
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