Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
– Porthos verschlang einen großen Bissen Hasenfleisch.
»Majestät!« rief er mit erstickter Stimme. – »Man reiche Herrn du Vallon dieses Hammelfilet,« sagte der König. »Essen Sie so etwas gern, Herr du Vallon?« – »Ich esse alles gern, Majestät,« antwortete Porthos. – »Besonders das, was Eure Majestät mir zuschickt,« flüsterte d'Artagnan ihm zu, und Porthos wiederholte diese Worte. – Der König lächelte. »Wer wacker arbeitet, darf auch wacker essen,« sagte er. »Möchten Sie einmal diese Speise aus süßem Rahm kosten?«
»Majestät sind sehr gütig,« antwortete Porthos, »aber wenn ich die Wahrheit sagen darf, so mache ich mir nicht viel aus dem zuckrigen Geschlapper; diese Crèmes blähen den Magen auf und verrichten nichts; sie nehmen einen Platz weg, der mir viel zu kostbar erscheint, als daß man ihn schlecht ausfüllen sollte.« – »Ha, meineHerren!« lachte Ludwig, »da haben wir mal einen wahrhaften Gastronomen! So aßen unsere Väter, und sie wußten noch gut zu essen! Wir tun ja nur so.« – Dabei nahm er sich Geflügelragout, während Porthos ein Gemengsel von Lachs und Rebhuhn versuchte. Der Mundschenk füllte Ludwigs Glas. »Geben Sie von meinem Wein Herrn du Vallon!« sagte er. – Das war eine der großen Ehren bei Tafel. D'Artagnan drückte unterm Tische seinem Freunde das Knie.
»Herr du Vallon,« sagte der König, »wenn Sie den Wildschweinskopf da zur Hälfte verzehren, so mache ich Sie zum Herzog und Pair.« – »Ich will mich gleich darüber hermachen,« antwortete Porthos phlegmatisch, und er aß nicht nur die Hälfte davon, sondern drei Viertel. – »Wahrlich, ein Edelmann, der so tüchtig essen kann und so prachtvolle Zähne hat,« sagte der König, »muß der erste Kavalier meines Reiches sein.« Und zum größten Vergnügen der Gäste fuhren Ludwig XIV. und Porthos fort zu essen und ließen alle andern weit hinter sich zurück. Dann aber stieg dem König das Blut ins Gesicht – das erste Zeichen der Sättigung. Er dachte nun nicht mehr an Porthos, sondern sah nach der Tür, in der Erwartung, Saint-Aignan mit einer ersehnten Nachricht kommen zu sehen. Endlich trat der Graf ein – Ludwig XIV. stand auf – das Souper war zu Ende.
»Herr du Vallon,« sagte der König, schon auf der Türschwelle, »es hat mich gefreut, Sie kennen zu lernen; es wird mir stets Freude machen, Sie wiederzusehen. Herr d'Artagnan, meinen Dank, daß Sie mich mit dem Herrn Baron bekannt gemacht haben. Meine Herren, morgen kehre ich nach Paris zurück, um die Gesandten von Spanien und Holland zu verabschieden.«
Der König zog seinen Hofmeister in ein Nebenzimmer und hörte dort, was jener ihm von Fräulein von Lavallière zu berichten hatte. Er brachte ein Briefchen, das Majestät mit großer Begierde öffnete und las. – »Sie schreibt, sie wäre in sehr erregter Stimmung. Weshalb das?« fragte er. – »O, wegen des Unfalls, der dem Grafen von Guiche zugestoßen ist,« antwortete Saint-Aignan. »Er hat eine Hand verloren, ist in der Brust verwundet worden und liegt auf den Tod. Herr von Manicamp hat es von einem Arzt gehört.« – »Wer hat ihm das getan?« rief der König. – »Man sagt, es sei ein Streit zwischen ihm und einem andern Edelmann entstanden,« sagte Saint-Aignan. »Und dann sei Guiche nicht im Duell, gegen das Eure Majestät ja sehr strenge Befehle erlassen haben, sondern aus dem Hinterhalt verwundet worden.« – »Und wer hat es getan?« – »Das weiß man nicht. Vielleicht kann Herr von Manicamp es sagen. Denn er hat mit noch einem andern den Verwundeten heimgeschafft.« – »Wo ist es geschehen?« – »Im Walde von Rochin, auf einer Lichtung,« antwortete der Hofmeister.
»Unbegreiflich,« sagte der König. »Rufen Sie d'Artagnan.« – Saint-Aignan gehorchte. – Der Musketier trat ein. – »Herr Kapitän,« sagte der König, »reiten Sie sofort nach der Lichtung im Walde von Rochin. Kennen Sie die Stelle? – »Sire, ich habe mich dort zweimal duelliert.« – Der König fuhr auf. – »Sire,« fügte d'Artagnan sogleich hinzu, »zu der Zeit, als noch Richelieu regierte.« – »Das ist etwas anderes,« sagte der König. »Reiten Sie hin. Es soll dort ein Mann tödlich verwundet worden sein. Stellen Sie eine genaue Untersuchung an und sagen Sie mir dann IhreMeinung.« D'Artagnan ging, und der König sagte zu Saint-Aignan: »Und Sie, Herr Graf, holen Sie mir meinen Arzt.« – Der Mediziner kamen zehn Minuten später an, atemlos vom raschen Laufen.
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