Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
Edelmut im Herzen ihres Verehrers, daß ihr eigenes Herz bei der Berührung mit einer so reinen Flamme sich läuterte. Ihre Gefühle für ihn wurden dadurch um vieles inniger und wärmer. »Graf,« sagte sie, ihm die Hand reichend, »mag der König die Lavallière lieben oder nicht, mag die Lavallière den König lieben oder nicht, wir beide wollen uns nicht mehr darum kümmern. Ich bin zwar die Schwester des Königs, die Schwägerin seiner Gemahlin, aber ich will mich mit seinen Familiengeschichten nicht befassen, ich bin ja selbst verheiratet. Und das muß auch für Sie eine Mahnung sein, mir stets mit der größten Ehrerbietung zu nahen. Sie sehen also, Graf, ich habe auf zwei Rollen Bedacht zu nehmen, auf die Rolle der Schwägerin und auf die der Gemahlin –«
»O,« rief Graf Guiche und fiel ihr zu Füßen. – »Doch mich dünkt,« flüsterte sie, »ich habe daneben noch eine dritte Rolle, die ich trotz allem nicht vergessen darf: ich bin ein Weib und liebe!« – Er stand auf, sie breitete die Arme aus, beider Lippen berührten sich.
Hinter der Tapetentür hörte man Tritte. Die Montalais klopfte. »Madame,« rief sie, »man sucht den Grafen von Guiche.« – Der Graf verneigte sich vor der Herzogin und entfernte sich rasch. In seiner Wohnung fand er einen Kurier, der ihm ein Schreiben von Rudolf von Bragelonne überbrachte. Der Graf las es bei der brennenden Kerze.
»Lieber Freund! Auf meiner Reise habe ich Wardes getroffen. Sie wissen, er ist von Charakter gehässig und boshaft. Er sprach von Ihnen und Madame und ließ durchblicken, daß er um Ihre Liebe zur Herzogin wisse. Er sprach auch von einer Person, die mir sehr nahesteht, und zwar in eigentümlichen Ausdrücken des Bedauerns, die mich – so sehr ich mich dagegen sträube – mit ungewisser Furcht erfüllen. Ich weiß, er liebt es, den Geheimnisvollen zu spielen, aber er behauptete, bestimmte Nachricht vom Hofe zu haben. Er deutete an, der König habe seine Liebe inzwischen einer andern Dame zugewandt, von der man infolgedessen allerdings nicht viel Gutes spreche. Wardes ist im Begriff, nach Paris abzureisen; ich habe keine näheren Erklärungen von ihm verlangt, weil ich mich nicht erst wieder mit ihm einlassen wollte. Auf der Weiterreise habe ich mir nun allerhand Gedanken gemacht. Ganz sicher haben die Andeutungen Wardes' einen ganz bestimmten Sinn, sofern es sich um jene von mir geliebte Dame handelt. Ich wende mich nun an Sie. Suchen Sie zu erfahren, was er gemeint hat, wenn Sie es nicht schon wissen. Empfehlen Sie mich, lieber Freund, dem Fräulein von Lavallière, dem ich ehrerbietig die Hand küsse. Mit herzlichem Gruße Ihr Vicomte von Bragelonne. – Nachschrift: Sollte sich etwas Wichtiges ereignen, so sendenSie mir einen Eilboten mit dem einzigen Worte: »Kommen Sie!« und in 36 Stunden bin ich in Paris.«
Guiche steckte den Brief seufzend ein. »Eine dumme, dumme Geschichte!« murmelte er. »Wer weiß, wie das noch endet! Und Wardes,« setzte er mit drohender Gebärde hinzu, »mischt sich in meine Angelegenheiten und erlaubt sich, von meinem Verhältnis zu Madame zu sprechen? Warten Sie, Marquis, Sie werden es mit mir zu tun haben! Armer Rudolf, du hast mir ein deinem Herzen teures Gut anvertraut – nun, ich werde auf der Hut sein.«
Von Wardes traf am andern Tage bei Hofe ein und wurde freundlich aufgenommen. Er hatte sich so lange ferngehalten, um den unliebsamen Auftritt im Zimmer d'Artagnans bei allen, die dabei gewesen, in Vergessenheit geraten zu lassen, und nun wurde er namentlich von Monsieur, der gern einmal ein neues Gesicht sah, mit einer Freude begrüßt, die eines bessern würdig gewesen wäre. Das empfand selbst Chevalier von Lorraine, der zusammen mit Guiche diesem Empfange beiwohnte. Als Wardes vom Herzog entlassen worden war, traf Guiche mit ihm zusammen. Beide begrüßten sich nach höfischer Art und wechselten liebenswürdige Komplimente. »Glücklich wieder hier, Herr von Wardes?« sagte Graf Guiche. »Was bringen Sie Neues mit?« – »Nichts,« antwortete der junge Mann. »Neues hoffe ich hier zu erfahren.« – »Pardon, Sie haben doch erst vor kurzem einen meiner Freunde getroffen,« sagte der Graf. – »Richtig, ja, Bragelonne,« versetzte der Marquis, über den Ton des Grafen stutzend. »Ich muß gestehen, ich weiß nicht recht, was wir miteinander geredet haben. Sie wissen ja, es besteht eine gewisse Spannung zwischenuns.« Er merkte an der kalten, würdevollen Haltung Guiches, daß das Gespräch eine
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