Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
liegen, unfähig, sich zu vergegenwärtigen, was eigentlich geschehen sei. Die Tür ging auf – sie hörte es wohl, aber sie sah nicht danach. Da schoß es ihr in den Kopf, es sei vielleicht der König, der zurückkehre. Sie hob das in Tränen gebadete Gesicht.
Madame stand vor ihr. Doch was lag ihr an der Herzogin? Sie sank zurück und ließ das Haupt wieder auf den Betstuhl fallen.
»Fräulein,« sprach Madame zornig, aufgeregt, »es ist sehr schön, auf den Knien zu liegen und die Fromme zu spielen. Doch da Sie dem König des Himmels so sehr ergeben sind, so geziemt es sich auch, ein wenig den Willen der irdischen Fürsten zu respektieren.« – Die Lavallière sah auf, ein starrer, fast unbewußter Blick bewies, daß sie kaum verstand, was zu ihr gesprochen wurde.
»Die Königin-Mutter hat Sie doch gewarnt, sich in acht zu nehmen, damit niemand Ursache fände, üble Gerüchte über Sie auszusprechen. Und jetzt ging doch schon wieder jemand von Ihnen fort, dessen Hiersein eine Ursache zu üblem Reden ist. Da mein Haus das der ersten Prinzessin ist, so soll es dem Hofe kein schlechtes Beispiel geben; und das geschieht durch Ihr Betragen. Ich erkläre Ihnen daher, Fräulein – ich sage es Ihnen ohne Zeugen, da ich Sie nicht öffentlich demütigen will – Sie sind von Stund ab frei und können zu Ihrer Mutter nach Blois zurückkehren.«
Die Lavallière antwortete nicht; nur ein Schauer,der ihren ganzen Körper erzittern ließ, verriet, daß sie verstanden hatte. Madame ging hinaus.
Luise lag noch lange regungslos da; sie betete nicht einmal mehr. Allmählich kehrten die Gedanken zurück – sie fing an zu begreifen, was geschehen war. Ein Strahl der Hoffnung schimmerte in die Nacht ihres Herzens, wie ein Strahl Tageslicht in den Kerker eines Verurteilten. Sie dachte an die Fahrt nach Paris, sie sah den König neben ihrem Wagen, sie hörte, wie er ihr süße Worte der Liebe, der Treue zuflüsterte, sie fühlte seine Hand in der ihren und erinnerte sich des Gelübdes, das sie einander getan. »Es soll nach einem Zerwürfnis keine Nacht verfließen, ohne daß wir einander aufsuchen oder uns durch Briefe verständigen!« Es war ja nicht möglich, daß der König sein Versprechen nicht hielte, hatte er selbst ihr doch diesen Schwur abgerungen, wie ein Despot, der Liebe ebenso verlangt wie Gehorsam. Wenn er nicht kam, dann bewies er damit eben, daß er keine Liebe hatte, oder daß dieses erste Hindernis auf dem Wege ihn schon zur Umkehr bewog.
Er mußte also kommen! – Und so wartete das arme Kind mit bangender Seele, Stunde um Stunde! – O, wenn er käme, wie würde sie ihm entgegeneilen – wie würde sie alles vergessen über der Freude, ihn wiederzusehen, wie wollte sie ihm sagen: »Nicht ich bin es, die Sie nicht liebt – jene sind es, die mich hindern wollen, Sie zu lieben!« – Indessen sie nachsann, mußte sie sich sagen, der König sei unschuldig. Er konnte nichts wissen. Wenn sie ihn in Gedanken beschuldigt hatte, an dem Komplott ihrer Feindinnen teilzuhaben, so war das unrecht von ihr. Ihr hartnäckiges Schweigen mußte ihn befremden. Ja ungeduldig, herrisch, reizbar, wie er war,hatte er sich wirklich lange genug bemüht, sie zum Sprechen zu bewegen. O, wenn er nur käme, wenn er nur käme, wie würde sie ihm beweisen, daß sie ihn liebte!
So verrann die Zeit, und der König kam nicht. Nun hoffte sie wenigstens auf eine Nachricht. Er würde Saint-Aignan schicken, sagte sie sich, und sie würde auch ihm ihr Herz ausschütten. Und sie wartete. Selbst als es elf Uhr schlug, verlor sie die Hoffnung nicht; konnte doch bis Mitternacht noch immer ein Bote kommen. Doch die Stunde kam – die Lichter im Schloß erloschen – und auch für das arme Mädchen erlosch das Licht der letzten Hoffnung. Der König hatte den Schwur gebrochen, den er am selben Tage erst geleistet. Also liebte der König sie nicht mehr; der schöne Traum hatte jäh geendet. Ihre Herrin hatte sie verstoßen – schmählich hinausgewiesen, und doch war der König die einzige Ursache dieser Beschimpfung.
Ein bitteres Lächeln spielte um ihren Mund, die einzige Spur von Zorn, die sich während dieses langen Kampfes auf dem Engelantlitz des Opfers zeigte. An wen sollte sie sich nun wenden, bei wem Zuflucht suchen, da der König der Erde sie verließ? Ihr blieb nur noch der König des Himmels! Und sie blickte auf das Kruzifix und murmelte: »Mein Gott, du selbst schreibst mir vor, was ich zu tun habe. Tu bist der Herr, der nimmer die
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