Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
Verlassenen und Vergessenen verläßt und vergißt. Dir will ich mich weihen.« – Sie sank wieder vor dem Betstuhl nieder, legte den Kopf auf die Platte. So lag sie, bis der Tag dämmerte.
Beseelt von einem festen Entschlüsse, stand sie auf, warf einen Mantel über und ging hinaus. Sie erreichte die Gartentür in dem Augenblick, als ein Posten derSchweizergarden eingelassen wurde. Sie schlüpfte hinaus, ehe noch der Patrouillenführer Zeit hatte, sich zu fragen, wer diese junge Frau sei, die so früh aus dem Palast entwich.
2. Kapitel. Triumph und Demütigung
Luise eilte die Straße linker Hand hinab, ohne zu wissen, wohin sie in dieser Richtung gelangen würde. Es war das erste Mal, daß sie allein durch Paris ging, und obwohl es um diese Zeit überall noch menschenleer war, so erschrak sie doch über das Gewirr von Straßen und Gassen, das sich allenthalben vor ihren Blicken öffnete. Sie eilte weiter und gelangte an den Seine-Hafen. Hin und wieder begegnete ihr ein später Nachtschwärmer oder eine lichtscheue Gestalt, aber das einsame Mädchen blieb unbehelligt. So kam sie schließlich auf den Grèveplatz. Während sie sich ratlos auf dem Häuserviereck umsah, taumelten aus einem Gasthause ein paar Männer heraus, schritten schwankend über den Platz, erblickten die weibliche Gestalt und umringten sie plötzlich unter lautem Geschrei.
Ehe Luise wußte, wie ihr geschah, erkannte sie, daß sie verloren sei, wenn nicht im letzten Augenblick Hilfe käme. Die Füße versagten ihr vor Schreck den Dienst, sie fiel und stieß einen Schrei des Entsetzens aus. Da teilte sich der Kreis, der sie umringte; der eine der rohen Gesellen flog Hals über Kopf nach links und blieb stöhnend auf dem Pflaster liegen, der andere rollte in den Rinnstein, der dritte ergriff die Flucht.
Ein Offizier der Musketiere stand vor dem Mädchen. »Potzblitz!« rief er. »Das ist ja Fräulein von Lavallière!« – Die Lavallière sah auf, als sie ihren Namen hörte, und erkannte, halb betäubt, Herrn d'Artagnan. »Ja, ich bin es,« stammelte sie, sich auf seinen Arm stützend. »Nehmen Sie sich meiner an, ich bitte Sie!« – »Aber wohin wollen Sie zu dieser Stunde?« – »Nach Chaillot, Herr d'Artagnan!« – »Da müssen Sie in entgegengesetzter Richtung gehen, mein Fräulein.«
»So bringen Sie mich auf den rechten Weg und gehen Sie ein Stück mit mir. Doch wie kommt es, daß ich Sie hier treffe? Welche Gnade des Himmels hat es gefügt, daß Sie mir zu Hilfe kommen konnten? Fast möchte ich glauben, ich träumte.«
»Ich besitze ein Haus hier am Grèveplatz und habe gestern abend meine Miete einkassiert. Die Nacht über bin ich dort geblieben, und nun wollte ich frühzeitig ins Palais, um meine Posten zu revidieren.« – Er bot ihr den Arm. »Was mag sie nur so zeitig in Chaillot wollen?« dachte er bei sich. Doch stellte er nicht diese Frage, sondern eine andere: »Ohne Zweifel wissen Sie gar nicht, wo Chaillot liegt? Es ist sehr weit von hier. Eine reichliche Meile.« – »Ich werde hinkommen.« – D'Artagnan antwortete nicht; er hörte aus ihrem Ton den unerschütterlichen Entschluß heraus. – »Aber wohin wollen Sie denn dort, Fräulein?« fragte er nach kurzem Schweigen. – »Ins Kloster der Karmeliterinnen. Und da wir uns noch einmal getroffen haben, so nehmen Sie zu gleicher Zeit meinen Dank und meinen letzten Gruß!«
»Ihren letzten? Sie wollen ins Kloster? Sie?!« – Und in diesem Ausruf lag viel; Luise fühlte sich durch dieses Wort an alles erinnert, was in Blois geschehenwar, als noch Rudolf sie besuchte, was in Fontainebleau geschehen, seit der König ihr seine Liebe erklärt hatte. – »Sie, die Sie mit Rudolf glücklich, mit dem König mächtig sein könnten, Sie wollen ins Kloster?« So sprach d'Artagnan zu ihr in diesem einen Wort.
»Ja, ich werde eine Dienerin des Herrn,« antwortete sie, »ich entsage der Welt. Sie kennen nun meinen Entschluß. Sie kennen mein Ziel. Ich habe nun nur noch eine letzte Bitte an Sie. Der König darf von meiner Flucht aus dem Palais nichts erfahren; er darf auch nicht wissen, wohin ich gegangen bin.« – »Fräulein, Sie berechnen die Tragweite dieses Schrittes nicht,« wandte der Gaskogner ein. »Niemand darf bei Hofe etwas tun, was der König nicht wissen darf.« – »Ich gehöre nicht mehr zum Hof,« erwiderte Luise.
Der Kapitän sah sie erstaunt an. – »Beunruhigen Sie sich nicht, Herr,« sagte sie. »Das alles ist berücksichtigt worden, und abgesehen davon
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