Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
Wasserbads und der erlittenen Aufregung. Und im Delirium erzählte ich nun vollends alles, was der Brief mir gesagt hatte, den man dann unter meinem Kopfkissen fand.« – »Ah, nun verstehe ich alles,« sagte Aramis. – »Mein Erzieher getraute sich nun nicht, das Geheimnis weiter zu behüten, dessen ich durch Zufall teilhaftig geworden war, und schrieb der Königin alles. Daraufwurde ich in die Bastille gebracht, und Erzieher und Amme verschwanden.«
»Lassen wir die Toten ruhen,« sagte Aramis. »Beschäftigen wir uns mit den Lebenden. Haben Sie sich in Ihr Schicksal ergeben? Ohne Ehrgeiz, ohne Schmerz, ohne Hoffnungen? Sie schweigen?« – »Ich glaube genug gesagt zu haben,« versetzte der junge Mann. »Das Reden ist nun an Ihnen. Ich bin müde.« – Aramis sammelte sich. Sein Gesicht nahm einen feierlichen Ausdruck an, war er doch bei dem wichtigsten Teil der Rolle angelangt, die er im Gefängnis zu spielen hatte. – »Eine Frage zuerst, die von Bedeutung ist,« begann er. »In dem Hause zu Noisy-le-Sec gab es keine Spiegel?« – »Ich weiß nicht, was ein Spiegel ist,« erwiderte der junge Mann. – »Glas, das so präpariert ist,« erklärte d'Herblay, »daß man sich darin so deutlich sieht, wie Sie mich sehen.« – »Nein,« sagte der junge Mann, »so etwas gab es in dem Hause nicht.« – »Und auch hier gibt es keinen,« fuhr Aramis fort, sich umsehend. »Man gebraucht hier die gleiche Vorsicht. Doch Verzeihung! Man unterwies Sie also in Wissenschaft und allerlei Künsten. Lehrte man Sie auch die Geschichte kennen?«
»Man erzählte mir,« antwortete der junge Mann, »von Ludwig dem Heiligen, von Franz I., von Heinrich IV.« – »Also auch hier Berechnung,« sagte d'Herblay. »Ich will Ihnen in wenigen Worten mitteilen, was seit 23 oder 24 Jahren, also seit der Zeit Ihrer Geburt, in Frankreich geschehen ist. Auf Heinrich IV. folgte Ludwig XIII., ein großer König, voll hoher Entwürfe und schöner Gedanken. Leider mußte er sie unvollendet lassen, da er zu schwach war, seinen Willen gegen den allmächtigen Minister, den Kardinal Richelieu, durchzusetzen.Er fand in noch jungen Jahren ein trauriges Ende. Das Glück der Nachkommenschaft war ihm lange versagt geblieben; schon verzweifelte er, als seine Gemahlin, Anna von Oesterreich –« Der Gefangene zuckte jäh zusammen. – »Als Anna von Oesterreich,« fuhr der Beichtvater fort, »ihm eines Tages ankündigte, sie sei gesegneten Leibes. Am 5. September genas sie eines Sohnes.«
Aramis hielt inne und sah den jungen Mann, der erbleichte, fest an. Dann fuhr er fort: »Sie werden jetzt eine Geschichte hören, die gegenwärtig nur noch zwei Menschen zu erzählen wissen; ein Geheimnis, das man für begraben hält. Ich wage nichts dabei,« setzte er in etwas ironischem Tone hinzu, »daß ich es einem Gefangenen mitteile, der gar kein Verlangen trägt, die Bastille jemals zu verlassen. Die Königin gebar also einen Sohn. Der Hof stimmte ein Freudengeschrei an, und der König saß schon wieder vergnügt bei Tische, um mit seinen Günstlingen ein Freudenfest zu feiern, da wurde die Königin, die in ihrem Zimmer mit der Hebamme allein war, ein zweitesmal von Wehen befallen und brachte noch einen Sohn zur Welt. Diesen zweiten Sohn nahm die Hebamme, Frau Perronnette, in den Arm.«
»Frau Perronnette?« stammelte der junge Mann.
»Man schickte nach dem König, und seine Freude verwandelte sich in Entsetzen; denn in Frankreich kann man nur einen Kronprinzen gebrauchen. Kronprinz ist der ältere Sohn, so lautet das Gesetz, und die Aerzte erklärten, aus verschiedenen Gründen in diesem Falle nicht mit der absoluten Sicherheit entscheiden zu können, ob der zuerst zur Welt gekommene Sohn der ältere sei.« – DerGefangene stieß einen dumpfen Schrei aus und wurde weiß wie das Laken seines Bettes. – »Sie begreifen nun,« fuhr Aramis fort, »weshalb der König so erschrocken war. Zwei gleichberechtigte Dauphins – das war ein ganz unhaltbarer Zustand. Der zweite Sohn hätte eines Tages zu den Waffen greifen und dem andern den Thron streitig machen können; was zu blutigem Hader geführt hätte. Und deshalb wurde einer dieser Zwillingssöhne, und zwar der zu zweit ans Licht getretene, beiseite geschafft, und deshalb ist es seitdem verschwunden, so daß in Frankreich niemand weiß, ob er noch lebt, ausgenommen seine Mutter, die ihn verlassen hat, jene Dame im schwarzen Kleide und den grellroten Bändern und –«
»Und endlich Sie!« fiel der Gefangene
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