Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
ein. »Sie, der Sie in meiner Seele Haß und Ehrgeiz und vielleicht den Durst nach Rache erwecken! Sie, der Mann, den ich erwartete, der Mann, den mir Gott sendet, und der, wenn er das ist, das bei sich haben muß –« – »Was?« fragte Aramis. – »Ein Porträt des Königs Ludwig XIV., der jetzt auf Frankreichs Thron sitzt.«
»Hier ist das Porträt,« sagte der Bischof und legte vor den Gefangenen ein schönes Emaillebild hin, auf dem Ludwig in all seinem Stolz, in all seiner Schönheit dargestellt war. – Der Gefangene ergriff es mit Gier und heftete den brennenden Blick darauf. – »Und hier, Monseigneur,« fuhr Aramis fort, »ist ein Spiegel.« – Der junge Mann sah hinein und verglich sein Antlitz mit dem des Königs.
»Was denken Sie davon?« fragte Aramis. – »Daß ich verloren bin,« murmelte der Gefangene. »Der König kann mich niemals neben sich dulden.« – »Und ich fragemich,« sagte der Bischof, mit einem leuchtenden Blick auf den Gefangenen, »welcher von beiden der König ist, der, den dieses Porträt darstellt, oder der, dessen Antlitz ich hier im Spiegel sehe!« – »Der König, Herr, ist der, der auf dem Throne sitzt,« erwiderte der junge Mann traurig, »der nicht im Gefängnis schmachtet, ja vielmehr dahin schickt, wen immer er will. Wer den Thron hat, hat die Macht – ich bin ohnmächtig.« – »Monseigneur,« antwortete Aramis mit einer Ehrerbietung, die er bis jetzt noch nicht gezeigt hatte, »der König werden Sie sein, wenn Sie nur wollen, und wenn Sie der Mann dazu sind, sich auf dem Throne zu behaupten, auf den Ihre Freunde Sie setzen werden.«
»Herr, führen Sie mich nicht in Versuchung,« versetzte der Gefangene in bitterem Tone. – »Monseigneur, keine Schwäche! Ich habe alle Beweise Ihrer Geburt mitgebracht. Ueberzeugen Sie sich selbst, daß Sie ein Königssohn sind, dann wollen wir weiter sehen.«
»Sie reden von Freunden?« rief der junge Mann mit einer Heftigkeit, die den Adel seines Bluts verriet. »Wie sollte denn ich zu Freunden kommen, ich, der keinen Menschen kennt und weder Freiheit, noch Geld, noch Macht besitzt?« – »Mich dünkt, ich hatte die Ehre,« antwortete Aramis, »mich Eurer Königlichen Hoheit zum – Freunde anzubieten.«
»O, nennen Sie mich nicht so, Herr, das ist Hohn, das ist Barbarei! Lassen Sie mein Sinnen nicht über diese Kerkermauern hinausgehen, lassen Sie mich in Finsternis und Sklaverei – ich will's ertragen!«
»Monseigneur, wenn Sie, nachdem ich Ihnen Ihre Herkunft bewiesen, so arm an Geist, Willen und Leben sind, diese mutlosen Worte sprechen zu können, so will ichnach Ihrem Wunsche handeln und dem Dienste des Herrn entsagen, dem ich mein Leben und meinen Beistand zuzuschwören gekommen bin!« – »Herr, wäre es nicht besser gewesen, Sie hätten, ehe Sie mir das alles sagten, bedacht, daß Sie mir damit das Herz brechen?« rief der Prinz. »Sie lassen mich an Glanz denken, und hier ist Nacht um mich her. Sie schwärmen von Allmächtigkeit, und draußen im Korridor hallt der Tritt des Kerkermeisters – ein Schall, der Sie mehr zittern macht als mich. Wenn ich daran glauben soll, geben Sie mir ein Pferd, ein Schwert in die Hand und Sporen an die Füße. Dann vielleicht werden wir uns verstehen.«
»Es ist meine Absicht, Monseigneur, Ihnen das alles und noch mehr zu geben,« antwortete Aramis. »Nur – wollen Sie es auch?« – »Herr, ich weiß, es gibt Wachen auf jedem Korridor, Riegel und Barren vor jeder Tür, Posten auf allen Höfen. Wollen Sie alle diese Hindernisse durchbrechen?« – »Alle, Monseigneur,« erwiderte d'Herblay mit Zuversicht. – Der Prinz schüttelte den Kopf und fuhr fort: »Wem es gelänge, das für mich zu tun, der wäre schon mehr als ein Mensch. Aber es kommt noch hinzu, daß ich ein Prinz bin, ein Bruder des Königs. Wollen Sie mir den Rang und die Macht geben, die Mutter und Bruder mir genommen haben? Ich soll in ein Leben voll Streit und Haß hinein, wie soll ich da ohne Wunden bleiben oder gar Sieger werden? O, bedenken Sie das, Herr! Werfen Sie mich lieber in eine finstere Bergschlucht, wo ich das Rauschen eines Flusses hören und die freie Flut, den blauen Himmel schauen und genießen kann, und ich will mich damit begnügen. Sie können mir nicht mehr geben, und es wäre ein Verbrechen, mich zu täuschen!«
Nach kurzem Besinnen sprach Aramis: »Ich bewundere diesen festen, weisen Sinn, Monseigneur, und erkenne daran, daß ich meinen König gefunden habe.« – »Wieder? O, haben
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