Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
sein sollten, so sind Sie doch nichtsdestoweniger derjenige, der Sie sind, und nichts, nichts, Monseigneur – auch keine Bastille – kann machen, daß Sie es nicht sind!«
»Ich werde Sie in aller Ruhe anhören,« entgegnete der Gefangene. »Nur glaube ich das Recht zu haben, die Frage zu wiederholen, die ich schon einmal an Sie stellte: Wer sind Sie?« – »Erinnern Sie sich, vor 15 oder 13 Jahren einen Reiter in Noisy-le-See gesehen zu haben, zusammen mit einer Dame, welche gewöhnlich ein schwarzseidenes Kleid und grellrote Bänder im Haar trug?« – »Ja, und ich fragte auch einmal nach seinem Namen. Man sagte, er heiße Abt d'Herblay und sei früher ein Musketier des Königs gewesen.« – »Und der ehemalige Musketier, der dann Abt wurde, dann Bischof von Vannes, ist jetzt Ihr Beichtiger. Ich bin d'Herblay«. – »Ichweiß es,« antwortete der junge Mann ruhig, »ich habe Sie wiedererkannt.«
»Nun, Monseigneur, wenn Sie das wissen,« erwiderte Aramis, »so muß ich etwas hinzufügen, was Sie nicht wissen, nämlich folgendes: Wäre es dem König bekannt, daß dieser Musketier, Abt, Bischof und Beichtvater heute abend hier hei Ihnen ist, so würde derselbe Mann, der alles aufs Spiel setzte, um zu Ihnen zu gelangen, morgen schon das Beil des Henkers in einem Kerker blitzen sehen, der viel tiefer und verborgener wäre, als der Ihrige.« – Als der junge Mann diese mit eindrucksvoller Stimme gesprochenen Worte hörte, richtete er sich in seinem Bette auf und versenkte den Blick mit Gier in die Augen des Beichtvaters. Er schien mehr Vertrauen gewonnen zu haben, lehnte sich zurück und sagte: »Ja, ich erinnere mich – jene Dame, von der Sie sprechen, kam einmal zusammen mit Ihnen und zweimal mit der Frau –« Er hielt inne.
»Mit der Frau, Monseigneur,« vollendete Aramis, »die Sie alle Monate besuchte?« – »Ja.« – »Wissen Sie, wer die Dame war?« – »Eine Dame des Hofes,« sagte der Gefangene. »Ich erinnere mich ihrer deutlich. Einmal kam sie mit einem Manne von etwa 45 Jahren, einmal sah ich sie mit Ihnen und jener Frau mit den roten Bändern im Haar. Diese vier Personen, mein Erzieher und die alte Perronnette sind – außer dem Kerkermeister hier und dem Gouverneur – die einzigen Menschen, die ich je gesehen habe.« – »Sie wurden aber auch in Noisy-le-Sec gefangengehalten.« – »Im Verhältnis zu diesem Kerker war ich dort frei. Nur daß der Garten eine hohe Mauer hatte, über die ich nicht hinwegsehen konnte. Ich war daran gewöhnt und sehntemich nicht hinaus. Da ich folglich von dieser Welt so gut wie nichts gesehen habe, so kann ich auch nichts wünschen, und wenn Sie etwas von mir wollen, so müssen Sie sich erklären.«
»Das werde ich auch tun, Monseigneur,« antwortete Aramis, »denn es ist meine Pflicht.« – »Nun, so fangen Sie an. Wer war mein Erzieher?« – »Ein gutmütiger, ehrbarer Edelmann, Monseigneur, sehr geeignet, Ihren Leib und Ihre Seele zu schulen. Hatten Sie sich über ihn zu beklagen?« – »Keineswegs. Er sagte mir oft, mein Vater und meine Mutter seien tot. Hat er damit gelogen oder die Wahrheit gesagt?« – »Ihr Vater war tot,« antwortete Aramis. – »Und meine Mutter?« fragte Marchiali. – »Sie war für Sie gestorben,« erwiderte d'Herblay. – »Doch für die Welt lebt sie noch, nicht wahr?« – »Ja.« – »Und dennoch muß ich in der Finsternis eines Kerkers schmachten? Weil mein Erscheinen ein schweres Geheimnis aufdecken würde?«
»Ein gefährliches Geheimnis,« antwortete Aramis.
»Wenn ein Kind in dieser Weise in die Bastille gesperrt wird, dann muß sein Feind sehr mächtig sein.« – »Das ist er auch.« – »Mächtiger als meine Mutter.« – »Warum das?« – »Weil mich meine Mutter sonst gegen ihn verteidigt hätte.« – Aramis zauderte, dann sagte er: »Ja, er ist mächtiger als Ihre Mutter, Monseigneur.« – »Und mein Erzieher, meine Amme, waren meinem Feinde auch im Wege, daß er sie von mir nahm?«
»Ja,« antwortete Aramis ruhig, »sie erschienen ihm beide so gefährlich, daß er sie verschwinden ließ. Man vergiftete sie.«
Der junge Mann erbleichte, dann antwortete er:»Diese unschuldigen Personen sind ermordet worden, und zwar an einunddemselben Tage? Dann muß mein Feind sehr grausam sein, oder die Notwendigkeit muß ihn dazu gedrängt haben. Und ich habe da meine Vermutungen. Ich werde sie Ihnen mitteilen.« – »Sprechen Sie, Monseigneur,« versetzte Aramis, »ich sagte Ihnen ja schon, ich riskiere mein
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