Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
mit jemand spreche, stets mein Bestreben, in seine Gedanken einzudringen mitten durch die lebende Maske hindurch, die der Verständige dem Fremden gegenüber annimmt. Ich werde bei der Dunkelheit, die uns umgibt, und bei der Zurückhaltung, die Sie schon im Gefängnis gegen mich gezeigt haben, nichts in Ihren Zügen lesen können. Ich glaube daher, es wird mir Mühe kosten, Ihnen aufrichtige Worte zu entwinden. Ich bitte Sie inständig, jedes meiner Worte nicht aus Rücksicht auf mich, sondern aus Liebe zu sich selbst, ernsthaft zu erwägen, denn was wir zu besprechen haben, wird so wichtig sein, wie nur irgend etwas, das jemals auf dieser Welt zwischen zwei Menschen verhandelt worden ist.«
»Ich höre,« antwortete Prinz Philipp in festem Tone. – Schwarze, dichte Dunkelheit lag unter den Wipfeln der Bäume ausgebreitet; die tiefe Stille der Nacht herrschte ringsum. Das Fünklein der Kutschenlaterne schimmerte durch den weißen Dunst, der vom feuchten Boden empordampfte.
»Königliche Hoheit,« fuhr Aramis fort, »Sie kennen die Geschichte der Regierung, die heute Frankreichs Geschicke leitet. Des Königs Kindheit glich einer Gefangenschaft, die kaum unbarmherziger war als die Ihrige, nur daß er seine Martern nicht in der Finsternis und Einsamkeit eines Kerkers, sondern an hellem lichtem Tage, mitten in der geräuschvollen Welt des Hofs erduldenmußte. Er hat darunter viel gelitten, sein Herz ist verbittert, und der Durst nach Rache muß in ihm wohnen. Er wird ein böser König werden. Da er von einem geizigen Minister geknechtet worden ist, wird er in Verschwendungssucht ausarten. Ich kann ihn mit gutem Gewissen verurteilen. Gott macht alles recht, was er tut. Um dieses schwere Geheimnis, das ich Ihnen entdecken half, zu bewahren und zunutze zu machen, dazu bedurfte er eines zuverlässigen, ausharrenden Werkzeugs, und er erwählte mich. Ich besitze Schärfe des Urteils, unermüdliche Geduld, Unerschrockenheit und Klugheit. Dieses Werkzeug Gottes haben Sie an Ihrer Seite, Hoheit, dieser Mann hat Sie in einer großen Absicht aus der Nacht des Kerkers befreit, und zu einem erhabenen Zweck will er Sie zu einem Herrn der Erde erheben.«
»Sie sprechen da,« antwortete der Prinz, »von dem geistlichen Orden, dessen Oberhaupt Sie sind. Ich entnehme Ihren Worten, daß Sie eines Tages denjenigen, den Sie erhoben haben, ebenso stürzen werden, daß ich nur eine Kreatur Ihres Geistes sein soll.« – »Sie irren sich, Hoheit,« versetzte Aramis. »Wenn ich Sie einmal erhoben habe, werde ich Sie nie stürzen können. Vielmehr werden Sie beim Emporsteigen den Schemel weit wegrollen sehen, auf den Sie den Fuß gesetzt haben. Sie werden sich dann vielleicht nicht einmal mehr an sein Recht auf Erkenntlichkeit erinnern. Doch fürchten Sie nichts; um mich gegen diese Gefahr zu schützen, spreche ich jetzt mit Ihnen; denn es ist selbstverständlich, daß ich ein Interesse verfolge, indem ich mein Leben für das Ihrige aufs Spiel setze. Auf dem Gipfel angelangt, werden Sie mich für würdig halten, Ihr Freund, Ihr erster Minister zu werden, und gemeinsam werden wirdann so große Dinge tun, daß man Jahrhunderte lang von uns sprechen wird.«
»Sagen Sie mir, mein Herr, was ich jetzt bin und was ich nach Ihrer Meinung morgen sein werde,« sprach Prinz Philipp.
»Hoheit, Sie sind der Sohn Ludwigs XIII., der Bruder Ludwigs XIV., der natürliche, legitime Erbe des französischen Throns. Die Aerzte oder Gott allein könnten in diesem Punkte die Wahrheit ermitteln. Die Aerzte nun stimmen stets für den König, der gerade auf dem Thron sitzt; Gott aber ist unparteiisch und duldet nicht, daß ein rechtmäßig geborener Prinz Unrecht leidet; Sie haben göttliches Blut in sich, weil Ihre Verfolger bei aller Grausamkeit es nicht gewagt haben, dieses Blut zu vergießen, wie sie das Ihrer Diener vergossen haben. Und nun hat Gott, den Sie oft angeklagt haben, für Sie gehandelt. Erwägen Sie, was alles er für Sie getan hat: er gab Ihnen den Wuchs, das Antlitz, die Stimme, die Manieren Ihres Zwillingsbruders, und alle Ursachen Ihrer Verfolgung werden nun zur Grundlage Ihres Triumphes. Morgen, sobald der Tag anbricht, werden Sie sich auf den Thron Ludwigs XIV. setzen, während ihn der göttliche Wille durch mich, das göttliche Werkzeug, für immer vom Throne herabstürzen wird.«
»Ich meine, das Blut meines Bruders darf nicht vergossen werden,« sprach der Prinz. – »Sie allein werden über sein Schicksal zu entscheiden haben,«
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