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Die drei Musketiere

Titel: Die drei Musketiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas
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d'Artagnan aber hatte dieser ganze Anblick eine glückliche Gestalt angenommen; alle Gedanken bekamen ein Lächeln, alle Finsternisse waren durchsichtig. Die Stunde desStelldicheins sollte schlagen. In der Tat ließ wenige Augenblicke darauf der Glockenturm von Saint-Cloud langsam zehn Schläge aus seinem brüllenden Schlund ertönen. Es lag etwas Trauriges in dieser ehernen Stimme, die so klagend mitten durch die Nacht hallte. Allein jeder dieser Stundenschläge vibrierte harmonisch in dem Herzen des jungen Mannes. Seine Augen richteten sich nach dem Pavillon an der Ecke der Mauer, wo alle Fenster, mit Ausnahme eines einzigen im ersten Stockwerk, mit Balken verschlossen waren. Durch eben dieses Fenster flimmerte ein sanftes Licht. Hinter diesem Fenster harrte offenbar Madame Bonacieux auf ihn. Nur ein letztes Gefühl von Scham hielt sie noch zurück; doch jetzt, wo es bereits zehn Uhr schlug, würde das Fenster aufgehen und d'Artagnan endlich die Hand der Liebe und den Preis seiner Ergebenheit erhalten. D'Artagnan wartete, von diesem süßen Gedanken durchdrungen, noch eine halbe Stunde, ohne ungeduldig zu werden, die Augen auf die reizende kleine Wohnung gerichtet, von der er zum Teil den Plafond mit den goldenen Leisten sah. Der Glockenturm von Saint-Cloud schlug halb elf Uhr. Diesmal durchrieselte ein Schauder d'Artagnans Adern, ohne daß er die Ursache begriff. Vielleicht hatte sich die Kälte auch seiner bemächtigt, so daß er eine leibliche Empfindung für einen moralischen Eindruck hielt. Dann stieg ihm der Gedanke auf, er habe falsch gelesen und das Rendezvous wäre erst um elf Uhr. Er ging zu dem Fenster hin, stellte sich in einen Lichtstrahl, nahm den Brief aus der Tasche und las ihn wieder durch; er irrte nicht, das Rendezvous war um zehn Uhr bestimmt. Er kehrte auf seinen Platz zurück und fing an über diese Stille und Einsamkeit unruhig zu werden. Es schlug elf Uhr. D'Artagnan geriet wirklich in Furcht, es könnte Madame Bonacieux etwas zugestoßen sein. Er klatschte dreimal mit den Händen, das gewöhnliche Zeichen der Verliebten, doch niemand antwortete ihm, selbst nicht das Echo. Hierauf dachte er mit einem gewissen Verdruß, die junge Frau wäre vielleicht in Erwartung seiner Ankunft eingeschlafen. Er näherte sich der Mauer und versuchte hinanzuklettern, allein sie war glatt und d'Artagnan verbog sich umsonst die Nägel. In diesem Moment faßte er die Bäume ins Auge, deren Blätter das Licht fortwährend versilberte, und da sich einer über den Weg neigte, dachte er, von seinen Ästen aus würde er ins Innere des Pavillons blicken können. Der Baum war leicht zu erklettern. Er saß im Augenblick mitten unter den Zweigen und seine Augen vertieften sich durch die durchsichtigen Scheiben ins Innere des Pavillons.
    Dieser Anblick war seltsam und machte d'Artagnan schaudern vom Scheitel bis zur Fußsohle, denn jenes sanfte Licht, jene stille Lampe beleuchtete eine Szene schrecklicher Zerstörung; eine derFensterscheiben war zerschmettert; die Tür war eingebrochen und hing zertrümmert an ihren Angeln, ein Tisch, auf dem ein schönes Nachtmahl gestanden haben mochte, lag auf dem Boden, die Flaschen bestreuten mit ihren Splittern den Fußteppich, und zwischen ihnen lagen Stücke von Früchten und andern Speisen. Alles gab Zeugnis von einem heftigen und verzweiflungsvollen Kampf in diesem Zimmer; d'Artagnan glaubte sogar mitten unter diesem seltsamen Gemeng Bruchstücke von Kleidern und Blutflecken am Tischtuch und an den Vorhängen wahrzunehmen. Er stieg schnell wieder unter einem furchtbaren Herzklopfen auf die Straße hinab und wollte sehen, ob sich keine andere Spur von einer Gewalttätigkeit auffinden lasse. Der kleine, sanfte Lichtschein erglänzte noch immer in der ruhigen Nacht. D'Artagnan nahm jetzt wahr, was er früher nicht bemerkt hatte, weil ihn nichts zu einer näheren Prüfung veranlaßte, daß der Boden hier eingeschlagen, dort durchlöchert war, und verworrene Spuren von Menschen und Pferdetritten kundgab. Außerdem hatten die Räder eines Wagens, der von Paris gekommen zu sein schien, in der weichen Erde tiefe Furchen eingedrückt, die nicht über die Höhe des Pavillons gingen und die Richtung gegen Paris nahmen. Endlich fand d'Artagnan bei seinem weiteren Nachsuchen neben der Mauer einen zerrissenen Frauenhandschuh. Indes war derselbe an den Punkten ganz rein, wo er die schmutzige Erde nicht berührt hatte. Es war einer von den parfümierten Handschuhen, wie sie die Liebenden gern

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