Die drei Musketiere
Unpäßlichkeit. Ihre Majestäten waren erst um sechs Uhr früh nach dem Louvre zurückgekehrt. Herr von Tréville durchblickte alle Winkel des Zimmers, um zu sehen, ob er mit d'Artagnan allein sei, und sprach dann zu ihm mit gedämpfter Stimme: »Nun, mein junger Freund, reden wir von Ihnen; denn Ihre glückliche Rückkehr hat offenbar großen Anteil an der Freude des Königs, an dem Triumph der Königin und an der Demütigung Seiner Eminenz. Nun müssen Sie sich klug benehmen.«
»Was habe ich zu befürchten,« fragte d'Artagnan, »solange ich so glücklich bin, die Gunst Ihrer Majestäten zu genießen?«
»Alles, glauben Sie mir. Der Kardinal ist nicht der Mann, der eine Mystifikation vergißt, solang er mit dem Mystifizierenden noch nicht Abrechnung gehalten hat, und der Mystifizierende scheint mir so ganz die Miene eines gewissen Junkers zu haben, den ich kenne.«
»Glauben Sie denn, der Kardinal wisse ebensogut wie Sie, daß ich in London war?«
»Teufel! Sie waren in London? und von London brachten Sie den schönen Diamanten mit, der an Ihrem Finger schimmert? Seien Sie auf Ihrer Hut, lieber d'Artagnan! um das Geschenk eines Feindes ist es nichts Gutes.«
»Dieser Diamant, mein Herr, kommt nicht von einem Feind, er kommt von der Königin.«
»Ho, ho!« rief Herr von Tréville, »von der Königin! Das ist wahrhaftig ein königliches Juwel, das tausend Pistolen wie einen Pfennig gilt. Durch wen ließ sie Ihnen dieses Geschenk überbringen?«
»Sie hat es mir selbst gegeben.«
»Wo das?«
»In dem Kabinett neben dem Zimmer, wo sie sich umkleidete.«
»Wie?«
»Indem sie mir die Hand zum Kusse bot.«
»Sie haben die Hand der Königin geküßt?« fragte Herr von Tréville und starrte d'Artagnan an. »Ihre Majestät geruhte mir diese Gnade zu erzeigen.«
»Und das vor Zeugen? Die Unkluge – die dreifach Unkluge!«
»Nein, mein Herr, fassen Sie sich, niemand hat es gesehen,« entgegnete d'Artagnan, und erzählte Herrn von Treville, wie das zuging. »O, die Weiber, die Weiber!« rief der alte Krieger, »ich erkenne sie wieder an ihrer romantischen Einbildungskraft; alles bezaubert sie, was geheimnisvoll ist. Sie haben also den Arm gesehen und weiter nichts? Sie würdender Königin begegnen, ohne sie wiederzuerkennen? Sie würde Ihnen begegnen, ohne daß sie wüßte, wer Sie sind?«
»Nein, allein mittels dieses Diamanten...« sprach der junge Mann.
»Hören Sie,« erwiderte Tréville, »soll ich Ihnen einen Rat geben, einen guten Rat, einen Freundesrat?«
»Erzeigen Sie mir die Ehre, mein Herr,« sagte d'Artagnan.
»Gut, gehen Sie zu dem nächsten besten Goldschmied, verkaufen Sie diesen Diamanten für das, was er Ihnen geben wird; jeder Jude wird Ihnen wenigstens achthundert Pistolen dafür bezahlen! Die Pistolen haben keinen Namen, junger Mann, doch dieser Ring hat einen furchtbaren, und kann den verraten, der ihn trägt.«
»Diesen Ring verkaufen!« rief d'Artagnan, »einen Ring, der von meiner Fürstin kommt– nie!«
»Dann, armer Narr! wenden Sie den Stein nach innen, denn man weiß, daß ein Junker aus der Gascogne solche Kleinodien nicht im Schranke seiner Mutter findet.«
»Sie glauben also, daß ich etwas zu fürchten habe?« fragte d'Artagnan.
»So zwar, junger Mann, daß derjenige, der auf einer Mine schläft, deren Lunte angezündet ist, sich im Vergleich mit Ihnen sicher halten darf.«
»Teufel!« rief d'Artagnan, »was ist da zu tun?«
»Für immer und vor allem auf der Hut sein. Der Kardinal hat ein gutes Gedächtnis und eine lange Hand; glauben Sie mir, er wird Ihnen einen Streich spielen.«
»Doch welchen?«
»Weiß ich das? hat er nicht alle Künste in Fron? das Geringste, was Ihnen geschehen kann, ist, daß man Sie einsperrt.«
»Wie, man würde es wagen, einen Mann zu verhaften, der im Dienste Seiner Majestät steht?«
»Bei Gott! man hat mit Athos wenig Umstände gemacht! jedenfalls, junger Tor, glauben Sie einem Manne, der dreißig Jahre lang bei Hof ist, und schlafen Sie nicht ein in Ihrer Sorglosigkeit, sonst sind Sie verloren. Im Gegenteil, sage ich Ihnen, erblicken Sie rings um sich nichts wie Feinde. Sucht man mit Ihnen Streit, so weichen Sie, ob ihn auch ein zehnjähriges Kind suchte; greift man Sie an bei Tag oder Nacht, so ziehen Sie sich im Kampfe zurück, und schämen Sie sich deshalb nicht; setzen Sie über eine Brücke, so betasten Sie die Bretter, aus Besorgnis, daß ein Brett unter Ihrem Fuße weiche; gehen Sie da vorüber, wo eben ein Haus gebaut wird,
Weitere Kostenlose Bücher