Die drei Musketiere
so blicken Sie in die Höhe, aus Furcht, es möchte ein Stein auf ihren Kopf fallen; kehren Sie nachts spät zurück, so lassen Sie sich von Ihrem Lakai begleiten, und dieser sei bewaffnet, wenn Sie anders Ihrem Bedienten trauen können. Ziehen Sie alle Welt in Verdacht, Ihren Freund, Ihren Bruder, Ihre Geliebte, ja, vorzüglich Ihre Geliebte.« D'Artagnan wurde rot.
»Meine Geliebte!« wiederholte er maschinenartig; »und warum sie mehr als andere?«
»Der Kardinal bedient sich gern dieses Mittels, da es auch das wirksamste ist. Ein Weib verkauft Sie für zehn Pistolen, wie es Dalila beweiset. Sie kennen dochdie Heilige Schrift? Hm!« D'Artagnan dachte an das Rendezvous, das ihm Madame Bonacieux für diesen Abend gab; doch müssen wir es zum Lob unseres Helden gestehen, daß ihm die üble Meinung, die Herr von Tréville von den Frauen überhaupt hatte, gar keinen Verdacht gegen seine schöne Wirtin erweckte. »Doch sagen Sie,« fragte Herr von Tréville, »was ist denn aus Ihren drei Gefährten geworden?«
»Eben wollte ich selber fragen, ob Sie von ihnen nichts wissen.«
»Nichts, mein Herr.«
»Nun, ich habe sie auf meiner Reise zurückgelassen. Porthos in Chantilly mit einem Duell am Hals: Aramis in Crévecoeur mit einer Kugel in der Schulter; Athos in Amiens mit einer Falschmünzerbeschuldigung auf dem Leibe.«
»Sehen Sie,« sagte Herr von Tréville, »und wie sind Sie durchgekommen?«
»Mein Herr, wunderbar, ich muß es gestehen, mit einem Degenstich in der Brust, und indem ich den Grafen von Wardes an der Straße von Calais so wie einen Schmetterling an die Tapete spießte.«
»Da sehen Sie wieder! von Wardes, einen Mann des Kardinals, einen Vetter von Rochefort; doch halt, mein Freund, mir kommt ein Gedanke.«
»O, sprechen Sie, mein Herr!«
»Ich würde etwas tun an Ihrer Stelle.«
»Was?«
»Während mich Seine Eminenz in Paris aufsuchen ließe, würde ich mich ganz still und sachte auf den Weg nach der Pikardie begeben und Erkundigungen über meine drei Gefährten einziehen. Bei Teufel, sie verdienen doch diese kleine Aufmerksamkeit von Ihrer Seite.«
»Der Rat ist gut, und ich will morgen abreisen.«
»Erst morgen und warum nicht diesen Abend?«
»Diesen Abend hält mich eine unausweichliche Angelegenheit in Paris zurück.«
»Ah, junger Mann, junger Mann! irgend eine Liebschaft? Geben Sie wohl acht, ich wiederhole es: das Weib hat uns alle, wie wir sind, ins Verderben gebracht, und bringt uns ins Verderben, wie wir alle sind und sein werden. Glauben Sie mir, reisen Sie noch diesen Abend.«
»Unmöglich!«
»Haben Sie also Ihr Wort verbürgt?«
»Ja, mein Herr.«
»Nun, das ist etwas anderes, doch versprechen Sie mir, daß Sie morgen abreisen, wenn Sie diese Nacht nicht getötet werden.«
»Ich verspreche es Ihnen.«
»Bedürfen Sie Geld?«
»Ich besitze noch fünfzig Pistolen; das ist hinreichend, wie ich denke.«
»Doch Ihre Gefährten?«
»Ich glaube, daß sie nicht Mangel leiden; wir sind von Paris jeder mit fünfundsiebzig Pistolen im Sack abgereist.«
»Werde ich Sie noch sehen, ehe Sie abreisen?«
»Ich denke nicht, wenn sich nichts Neues ergibt.«
»Nun, Glück zur Reise.«
»Ich danke, mein Herr.« D'Artagnan beurlaubte sich von Herrn von Tréville, inniger gerührt als jemals durch seine väterliche Sorgfalt für seine Musketiere.
Als er bei dem Hotel der Garden vorüberging, warf er einen Blick in den Stall, drei von den vier Pferden waren schon angekommen. Planchet erstaunte darüber, fing an, sie zu striegeln, und hatte bereitszwei davon geputzt. Als er d'Artagnan sah, sagte er: »Ach, mein Herr, wie bin ich froh, daß ich Sie sehe.«
»Warum das?« fragte d'Artagnan. »Setzen Sie denn Vertrauen in Herrn Bonacieux, unsern Wirt?«
»Ich? ganz und gar nicht.«
»O, Sie tun recht wohl daran.«
»Wie kommst du zu dieser Frage?«
»Nun, während Sie mit ihm sprachen, habe ich Sie beobachtet, ohne Sie zu behorchen, und dabei bemerkt, daß er drei- oder viermal seine Gesichtsfarbe veränderte.«
»Bah!«
»Da Sie sich nur mit dem Briefe beschäftigten, den Sie erhielten, haben Sie das nicht beachtet; allein ich, der ich durch diesen so seltsam in das Haus gelangten Brief behutsam geworden bin, ich verlor keine Bewegung seines Gesichts.«
»Und du fandest sie –«
»Verräterisch, mein Herr.«
»Wirklich?«
»Ja, noch mehr; als Sie von ihm weggingen und an der Straßenecke verschwanden, nahm Herr Bonacieux seinen Hut, versperrte die Tür und eilte in aller
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