Die drei Musketiere
Diesmal soll er mir nicht entschlüpfen.«
»Wer denn?«, fragte Herr von Tréville. »Er, mein Dieb!« rief d'Artagnan. »Ha, der Verräter!« Und er verschwand. »Ein Teufelsnarr!« murmelte Herr von Tréville. »Indes,« fügte er hinzu, »wenn nur das nicht eine schlaue Manier zu entwischen ist, indem er sah, daß sein Stoß fehlging.«
Die Schulter des Athos, das Wehrgehänge des Porthos und das Sacktuch des Arimas.
D'Artagnan hatte in seiner Wut mit drei Sätzen das Vorgemach durchmessen und eilte der Treppe zu, über die er je zu vier Stufen hinabstürzen wollte, als er im brausenden Lauf einem Musketier, der durch eine Seitentür von Herrn von Tréville kam, so gewaltsam an die Schulter stieß, daß dieser einen Schrei oder vielmehr ein Gebrüll ausstieß. »Ich bitte um Entschuldigung,« rief d'Artagnan, der seinen Lauf fortsetzen wollte, »ich bitte um Entschuldigung, aber ich habe es eilig.«
Er war kaum die erste Treppe hinabgestiegen, als ihn eine eiserne Faust an der Schärpe packte und festhielt. »Ihr habt es eilig,« rief der Musketier, blaß wie Kreide, »unter dem Vorwand stoßt Ihr mich; Ihr sagt: Ich bitte um Entschuldigung, und glaubt, daß dies schon hinreiche. Nicht so ganz, mein junger Mann! Ihr glaubt wohl, weilIhr heute Herrn von Tréville ein wenig hochtönig mit uns sprechen hörtet, so könne man uns so behandeln, wie er mit uns spricht! Enttäuscht Euch, Kamerad! Ihr seid nicht Herr von Tréville.«
»Meiner Treu,« entgegnete d'Artagnan, der Athos erkannte, der wieder nach seiner Wohnung zurückkehrte, nachdem ihm der Arzt den Verband angelegt hatte, »meiner Treu, ich hab es nicht absichtlich getan, und da ich es nicht absichtlich getan habe, so sagte ich auch: Ich bitte um Entschuldigung. Mich dünkt, daß es genug war. Indes wiederhole ich Euch, daß ich auf Ehre Eile habe, große Eile. Laßt mich also los, ich bitte Euch, laßt mich dorthin, wo ich zu tun habe.«
»Mein Herr,« versetzte Athos, ihn loslassend, »Ihr seid nicht höflich. Man sieht es, daß Ihr aus der Fremde kommt.« D'Artagnan hatte bereits drei oder vier Stufen hinter sich, allein bei der Bemerkung des Athos hielt er an und rief: »Potz Wetter, mein Herr, wie weit ich auch herkommen mag, so sage ich Euch doch, Ihr werdet mir keinen Unterricht in feinen Manieren geben.«
»Vielleicht doch,« erwiderte Athos. »Ha, wenn ich es nicht so eilig hätte,« rief d'Artagnan, »wenn ich nicht jemandem nachlaufen müßte...«
»Mein eilfertiger Herr, hört, mich werdet Ihr finden, ohne mir nachlaufen zu müssen.«
»Wo das, wenn Ihr wollt.«
»Bei den Karmeliter-Barfüßern.«
»Um welche Stunde?«
»Gegen Mittag.«
»Gegen Mittag – wohl, ich werde dort sein.«
»Sorgt nur, daß ich nicht zu lange warten darf, denn ich sage Euch, ein Viertel nach zwölf Uhr laufe ich Euch nach und werde Euch dann im Laufe die Ohren abschneiden.«
»Gut,« rief ihm d'Artagnan zu, »man wird zehn Minuten vor zwölf Uhr dort sein.«
Er setzte sich abermals in Lauf, als ob ihn der Teufel fortführte, in der Hoffnung, seinen Unbekannten noch zu finden, der sich bei seinem ruhigen Schritt noch nicht weit entfernt haben konnte. Aber am Straßentor besprach sich Porthos mit einem Soldaten der Wache. Zwischen diesen Sprechenden war gerade Raum für einen Mann. D'Artagnan glaubte, dieser Raum sei für ihn groß genug und stürzte vor, um wie ein Pfeil zwischen beiden durchzufliegen. Doch d'Artagnan rechnete nicht auf den Wind. Als er eben hindurchzudringen versuchte, fing sich der Wind in dem langen Mantel des Porthos und d'Artagnan fuhr gerade in den Mantel. Zweifelsohne hatte Porthos Ursache, diesen wesentlichen Teil seiner Kleidung nicht aufzugeben, denn anstatt das Blatt, das er hielt, loszulassen, zog er es an sich, so zwar, daß sich d'Artagnan in den Samt einwickelte vermöge der umdrehenden Bewegung, die sich durch den Widerstand des Porthos wohl erklären läßt. Als d'Artagnan den Musketier fluchen hörte, wollte er unter dem Mantel hervordringen, der ihn blendete, und suchte seinen Ausgang in den Falten. Er fürchtete insbesondere, den Glanz des uns bekannten prachtvollen Wehrgehänges beeinträchtigt zu haben; als eraber scheu die Augen aufschlug, zeigte es sich, daß er sich mit der Nase zwischen den Schultern des Porthos, das heißt gerade auf dem Wehrgehänge befand. Ach, wie die meisten Dinge in der Welt, die für sich nur den Schein haben, so war auch dieses Wehrgehänge vorn von Gold und rückwärts einfache
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