Die drei Musketiere
jemand seine Tür zu schließen, und alle drängten sich um den Verwundeten. Doch wäre diese Dringlichkeit nutzlos gewesen, hätte sich der verlangte Arzt nicht in dem Hotel selber gefunden; dieser arbeitete sich durch das Gewühl und näherte sich Athos, der noch immer ohnmächtig war, und da ihn dasGetöse und Gedränge in seiner Tätigkeit störten, so verlangte er zuvörderst und umgänglich, daß man den Musketier in ein Nebenzimmer trage. Herr von Tréville öffnete allsogleich eine Tür und zeigte Porthos und Aramis, die ihren Gefährten auf die Arme nahmen, den Weg. Somit war das Kabinett des Herrn von Tréville, dieser so geachtete Ort, ein zweites Vorgemach geworden. Jedermann schwätzte, sprach, deklamierte, fluchte und verwünschte die Leibwachen des Kardinals. Ein Weilchen darauf kehrten Porthos und Aramis zurück, der Chirurg und Herr von Tréville blieben allein bei dem Verwundeten. Endlich kehrte auch Herr von Tréville zurück. Der Verwundete erlangte das Bewußtsein wieder, und der Wundarzt erklärte, der Zustand des Kranken dürfe seine Freunde ganz und gar nicht beängstigen, denn seine Schwäche sei nur eine Folge des Blutverlustes. Herr von Tréville winkte nun mit der Hand und alles zog sich zurück, d'Artagnan ausgenommen, der es ja nicht vergaß, daß er Audienz hatte und mit der Hartnäckigkeit eines Gascogners an derselben Stelle verblieb. Als alle fortgegangen waren und die Tür wieder geschlossen wurde, wandte sich Herr von Tréville um und sah sich allein mit dem jungen Manne.
»Um Vergebung,« sprach er lächelnd, »um Vergebung, mein lieber Landsmann! ich habe ganz auf Sie vergessen. Was wünschen Sie? Ein Kapitän ist ein Familienvater, der eine größere Verantwortlichkeit hat als ein gewöhnlicher Familienvater. Die Soldaten sind große Kinder; aber da ich darauf sehe, daß man die Befehle des Königs und zumal die des Kardinals vollziehe...« D'Artagnan konnte sich eines Lächelns nicht enthalten. Herr von Tréville urteilte aus diesem Lächeln, daß er es mit keinem Schwachkopf zu tun habe, und indem er gerade auf die Sache losging, änderte er das Gespräch und sagte: »Mein Herr! ich hatte Ihren Vater recht lieb. Was vermag ich für seinen Sohn zu tun? Reden Sie schnell, meine Zeit gehört nicht mir.«
»Mein Herr!« entgegnete d'Artagnan, »als ich Tarbes verließ und hierher reiste, war meine Absicht, Sie im Vertrauen auf diese Freundschaft, die Ihnen nicht aus dem Gedächtnis geschwunden ist, um die Uniform eines Musketiers zu bitten. Aber nach allem dem, was ich seit zwei Stunden gesehen, ist es mir einleuchtend, daß eine solche Gunst ungeheuer wäre, und mir bangt, ob ich sie verdienen könne.«
»Es ist allerdings eine Gunst, junger Mann!« erwiderte Herr von Tréville, »doch kann sie nicht so hoch über Ihnen stehen, wie Sie glauben, oder zu glauben Miene machen. Für diesen Fall hat indes eine Entscheidung Seiner Majestät Sorge getragen, und ich sage Ihnen mit Leidwesen, daß niemand unter die Musketiere aufgenommen wird ohne vorausgehende Probe von einigen Feldzügen, gewissen Auszeichnungen oder einem zweijährigen Dienst in einem andern Regiment, das weniger begünstigt ist als das unsrige.« D'Artagnan verneigte sich, ohne zu antworten. Inihm stieg das Verlangen nach der Musketieruniform, seit er bemerkte, daß man zu ihrer Erlangung so große Schwierigkeiten überwinden müsse. Tréville heftete auf seinen Landsmann einen so durchdringenden Blick, daß man glauben konnte, er wolle in den Grund seines Herzens schauen, und fuhr fort: »Aber aus Rücksicht für Ihren Vater, meinen alten Landsmann, wie ich schon sagte, will ich etwas für Sie tun. Unsere Söhne von Bearn sind gewöhnlich nicht reich, und ich zweifle, daß sich die Sache verändert hat, seit ich die Provinz verlassen habe. Nicht wahr, Sie haben zum Leben nicht viel Geld mitgebracht?« D'Artagnan erhob sich mit einer stolzen Miene, die sagen wollte, daß er von niemand ein Almosen verlange. »Das ist gut, junger Mann, das ist gut,« sagte Tréville, »ich kenne diese Miene, ich bin nach Paris gekommen mit vier Talern in der Tasche und hätte mich mit jedem geschlagen, der mir gesagt hätte, ich wäre nicht im stande, den Louvre zu kaufen.« D'Artagnan richtete sich noch mehr empor; nach dem Verkauf eines Pferdes betrat er seine Laufbahn mit vier Talern mehr, als Herr von Tréville die seinige begonnen hatte. »Es ist also vonnöten, wie ich gesagt habe, daß Sie die Summe, die Sie besitzen,
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