Die drei Musketiere
dem Feuer der Bastei?«
»Du mußt den Entschluß fassen, ihn zu bringen, oder ich schwöre dir, daß du von meiner Hand fällst.«
»Gnade, Barmherzigkeit, o Herr! im Namen der jungen Frau, die Sie lieben, die Sie vielleicht für tot halten, und die es nicht ist,« stammelte der Mörder, indem er sich auf die Knie erhob und mit der Hand anstemmte, da er mit dem Blut allmählich auch die Kräfte verlor. »Wie weißt du es, daß es eine junge Frau gibt, die ich liebe, und daß ich diese junge Frau für tot hielt?« fragte d'Artagnan. »Ich weiß es aus dem Briefe, den mein Kamerad in der Tasche trägt.«
»Du siehst nun, daß ich diesen Brief haben muß,« rief d'Artagnan. »Zaudere nicht länger, oder, wie sehr es mich auch anwidert, meine Klinge zum zweitenmal in das Blut eines Elenden zu tauchen, wie du bist, so schwöre ich dir, so wahr ich ein Mann bin...« Bei diesen Worten machte d'Artagnan eine so bedrohliche Miene, daß sich der Verwundete erhob, und indem ihm der Schrecken wieder Mut einflößte, rief er: »Halten Sie ein, ich gehe, ich gehe.« D'Artagnan ergriff die Büchse des Soldaten, hieß ihn vorausgehen und trieb ihn gegen seinen Gefährten zu, während er ihn von Zeit zu Zeit mit der Degenspitze in die Seite stieß. Es war schrecklich anzuschauen, wie dieser Unglückliche, der seinen Weg mit einer langen Blutspur bezeichnete, blaß von dem bevorstehenden Tode, sich ungesehen bis zum Leichnam seines Gefährtenhinzuschleppen bemühte, der zwanzig Schritt weit entfernt lag. Auf seinem mit kaltem Schweiß bedeckten Antlitz war der Schrecken so gewaltig ausgeprägt, daß ihn d'Artagnan mitleidvoll und verächtlich anblickte. »Nun,« rief er, »ich will dir zeigen, welch ein Unterschied ist zwischen einem beherzten und einem feigen Menschen, der du bist. Bleib, und ich will dahin gehen.« D'Artagnan ging behenden Schrittes, mit lauschendem Auge, um jede Bewegung des Feindes zu beobachten, und alle Vorteile des Terrains nützend, und gelangte bis zum zweiten Soldaten. Um seinen Zweck zu erreichen, gab es zwei Mittel: ihn entweder sogleich zu durchsuchen, oder sich aus seinem Leib einen Schild machend, ihn nach dem Laufgraben zu tragen, und ihn erst hier zu durchsuchen. D'Artagnan zog das zweite Mittel vor und lud den Mörder in dem Moment auf die Schulter, da der Feind Feuer gab. Eine leichte Erschütterung, ein letzter Schrei, ein Beben des Todeskampfes bewiesen d'Artagnan, daß ihm derjenige das Leben bewahrte, der ihn vorher ermorden wollte. D'Artagnan gelangte wieder in den Laufgraben, und warf da den Toten neben den Verwundeten hin, der so blaß wie jener war. Er begann auf der Stelle die Untersuchung; eine lederne Brieftasche, eine Börse, worin noch offenbar ein Teil der Summe war, die der Bandit bekommen hatte, ein Becher und Würfel waren die ganze Habseligkeit des Entseelten. Er ließ Becher und Würfel zur Seite fallen, warf die Börse dem Verwundeten zu und öffnete hastig die Brieftasche. Mitten unter unbedeutenden Papieren lag der folgende Brief, den er sich mit Lebensgefahr geholt hatte: »Nachdem Ihr die Spur jener Frau verloren habt, die jetzt in Sicherheit in jenem Kloster ist, wohin Ihr sie niemals hättet sollen kommen lassen, so trachtet wenigstens den Mann nicht zu verfehlen, da Ihr wißt, daß ich eine lange Hand habe, und daß Ihr mir meine hundert Louisdor teuer werdet bezahlen müssen.« Keine Unterschrift. Nichtsdestoweniger war es offenbar, daß dieser Brief von Mylady kam. Sonach behielt er ihn zum Behufe einer Überführung, und da er sich gerade hinter der Ecke eines Laufgrabens sicher fühlte, fing er an, den Verwundeten auszufragen. Dieser bekannte, er habe es mit seinem Kameraden, der eben getötet wurde, auf sich genommen, eine junge Frau zu entführen, die von Paris durch die Barrière de la Villette abreisen wollte, doch hätten sie den Wagen um zehn Minuten versäumt, weil sie sich in einer Schenke, um zu trinken, verweilt haben.«
»Was hättet Ihr aber mit dieser Frau getan?« fragte d'Artagnan bekümmert. »Wir sollten sie in ein Hotel an der Place-Royale bringen,« entgegnete der Verwundete. »Ja, ja, so ist es, zu Mylady selbst,« murmelte d'Artagnan. Der junge Mann sah jetzt mit Schaudern ein, welch ein entsetzlicher Rachedurst diese Frau anstachelte, sowohl ihn, als auch diejenige,die ihn liebte, zu vernichten, und wie vertraut sie mit den Angelegenheiten des Hofes war, da sie alles ausgewittert hatte. Dagegen sah er auch mit wahrer Freude, daß die Königin
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