Die drei Musketiere
Hinterhalt wohl auf ihrer Hut, als sie etwa eine Viertelstunde vom Dorfe Boisnau das Getrappel von Pferden zu hören glaubten, die ihnen entgegenkamen. Sie hielten sogleich an und schlossen sich mitten auf der Straße eng aneinander. Nach einem Weilchen, als eben der Mond aus einer Wolke hervortrat, bemerkten sie wirklich an der Biegung des Weges zwei Reiter, die, als sie unsere Freunde gewahrten, gleichfalls anhielten und Rat zu halten schienen, ob sie ihren Weg fortsetzen oder umkehren sollten. Diese Zögerung erweckte Verdacht von seiten der Musketiere, Athos ritt eine kleine Strecke vorwärts und rief mit fester Stimme: »Wer da?«
»Wer da, Ihr?« entgegnete einer von den Reitern. »Das ist keine Antwort!« sagte Athos. »Wer da? oder wir schießen.«
»Bedenkt Euch, ehe Ihr das tut, meine Herren!«entgegnete eine tönende Stimme, die zu befehlen gewohnt zu sein schien. »Das ist ein Oberoffizier, der nachts seine Runde macht,« sagte Athos, zu seinen Freunden gewendet.–»Was ist da zu tun, meine Herren?«
»Wer seid Ihr?« rief dieselbe Stimme mit demselben gebietenden Tone; »gebt Antwort, oder es ergeht Euch schlecht bei Eurem Ungehorsam.«
»Musketiere des Königs!« entgegnete Athos. mehr und mehr überzeugt, daß derjenige, her sie fragte, hierzu auch das Recht besaß. »Welche Kompagnie?«
»Kompagnie Tréville.«
»Reitet vor und gebt Rechenschaft, was Ihr um diese Stunde hier zu tun habt.« Die drei Musketiere ritten vor, etwas beängstigt bei der Überzeugung, sie hätten es mit einem Mächtigeren zu tun. Übrigens überließ man Athos die Sorge, das Wort zu führen. Einer der zwei Reiter war etwa zehn Schritte von seinem Gefährten entfernt; Athos gab Porthos und Aramis gleichfalls einen Wink, zurückzubleiben und rückte allein vor. »Um Vergebung, mein Offizier,« sagte Athos, »allein wir wußten nicht, mit wem wir es zu tun hatten, und Ihr könnt sehen, daß wir die Wache wohl versehen.«
»Euer Name?« fragte der Offizier, indem er sein Antlitz zum Teil mit dem Mantel bedeckte. »Ihr selbst, mein Herr,« erwiderte Athos. den dieses Verhör zu erzürnen begann, »gebt mir, ich bitte Euch, den Beweis, daß Ihr das Recht habt, mich zu fragen.«
»Euer Name?« wiederholte der Reiter, und ließ seinen Mantel derart fallen, daß sich sein Antlitz enthüllte. »Der Kardinal!« rief der Musketier verwundert. »Euer Name?« rief Seine Eminenz zum drittenmal. »Athos.« sagte der Musketier. Der Kardinal gab dem Stallmeister einen Wink, und dieser ritt näher. »Diese drei Musketiere sollen uns folgen,« sprach er mit leiser Stimme; »man erfahre nicht, daß ich das Lager verließ, und wenn sie uns folgen, sind wir versichert, daß sie es niemandem sagen.«
»Wir sind Edelleute, Monseigneur,« versetzte Athos, »verlangen Sie unser Ehrenwort und besorgen Sie nichts. Gott sei Dank, wir können ein Geheimnis bewahren.« Der Kardinal richtete seine durchdringenden Augen auf den kühnen Sprecher und sagte: »Herr Athos, Ihr habt ein feines Gehör; doch bitte ich Euch, mir zu folgen, nicht etwa aus Mißtrauen, doch zu meiner Deckung. Zweifelsohne sind Eure Gefährten die Herren Porthos und Aramis.«
»Ja, Eure Eminenz,« erwiderte Athos, indes die zwei andern Musketiere, den Hut in der Hand, herbeiritten. »Ich kenne Euch, meine Herren,« sprach der Kardinal, »ich kenne Euch; ich weiß es, Ihr seid mir nicht sehr freundlich gesinnt, und das tut mir leid. Doch weiß ich auch, daß Ihr brave, wackere Edelleute seid, denen man vertrauen darf. Erweiset mir also die Ehre, Herr Athos, und begleitet mich, Ihr mit Euren zwei Freunden, und so werde ich eine Deckung haben, um die mich Seine Majestät beneiden müßte,wenn sie uns begegnete.« Die Musketiere verneigten sich bis auf den Hals ihrer Pferde. »Nun, auf meine Ehre,« sprach Athos; »Eure Eminenz hat recht, uns mitzunehmen; wir begegneten auf dem Wege häßlichen Gesichtern, und haben mit vier von solchen Gesichtern im ›Roten Taubenschlag‹ sogar einen Streit gehabt.«
»Einen Streit – warum das, meine Herren?« fragte der Kardinal. »Wie Ihr wißt, mag ich die Streitigkeiten nicht.«
»Eben deshalb habe ich die Ehre, Euer Eminenz mitzuteilen, was da vorgegangen ist, denn Sie könnten es von einer andern Seite erfahren, und einem falschen Gerücht noch glauben, daß wir schuldig seien.«
»Was ist das Resultat dieses Streites gewesen?« fragte der Kardinal mit gerunzelter Stirn. »Nun, mein Freund Aramis hat einen Degenstich in den Arm
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