Die drei Musketiere
und mit diesem Abend sind schon zwei Tage vorüber.« Als die Leute des Morgens in Myladys Zimmer kamen, brachten sie ihr das Frühmahl. Sie dachte, man würde nicht lange säumen, es wegzutragen, und da würde sie Felton wiedersehen. Mylady irrte nicht. Felton kam abermals, und ohne darauf zu achten, ob Mylady das Frühstück eingenommen habe oder nicht, gab er Befehl, den Tisch wegzuschaffen, der gewöhnlich ganz serviert hereingetragen wurde. Felton blieb zurück. Er hatte ein Buch in der Hand. Mylady, die neben dem Kamin in einem Armsessel lehnte, war schön, blaß und ergeben, und glich einer Jungfrau, die des Märtyrertums gewärtig ist. Felton trat zu ihr hin und sagte: »Lord Winter, der Katholik ist, wie Sie, Madame, dachte, daß Ihnen die Entbehrung der Gebräuche und Zeremonien Ihres Glaubens beschwerlich fallen dürfte; er erlaubte sonach, daß ich Ihnen dieses Erbauungsbuch bringe.« Bei der Miene, mit welcher Felton dieses Buch auf den Tisch legte, an dem Mylady saß, bei dem Tone seiner Worte: »Erbauungsbuch«, bei dem verächtlichenLächeln, womit er dieselben begleitete, erhob Mylady den Kopf und faßte ihn aufmerksamer ins Auge. An dem ernsten Zuschnitt seiner Haare, an der höchst einfachen Kleidung, an der marmorglatten Stirn, die ebenso hart und undurchdringlich wie Marmor war, erkannte sie einen von den finsteren Puritanern, wie sie solche so oft an dem Hofe des Königs Jakob, wie an dem des Königs von Frankreich gesehen hatte, wo sie bisweilen ungeachtet der Erinnerung an die St. Bartholomäusnacht Zuflucht gesucht haben.
Sie hatte eine von den plötzlichen Eingebungen, wie sie nur Menschen von Genialität in großen Krisen und wichtigen Momenten haben, die über Glück und Leben entscheiden sollen und sagte: »Lord Winter weiß recht gut, daß ich nicht seines Glaubens bin, und es ist nur eine Schlinge, die er mir zu legen beabsichtigt.«
»Aber welchen Glaubens sind Sie denn, Madame?« fragte Felton mit einer Verwunderung, die er ungeachtet seiner Selbstbeherrschung nicht ganz verbergen konnte. »Ich werde es sagen,« sprach Mylady mit erkünstelter Begeisterung, »ich werde es an dem Tage sagen, da ich genug für meinen Glauben gelitten haben werde.« Feltons Blick enthüllte vor Mylady den ganzen Umfang des Raumes, den sie durch dieses einzige Wort aufgeschlossen hatte. Indes verhielt sich der junge Mann schweigend und unbeweglich. Nur sein Blick war beredt. »Ich befinde mich in den Händen meiner Feinde,« fuhr sie in jenem Tone der Begeisterung fort, der, wie sie wußte, den Puritanern eigen war. »Gott wolle mich erretten, oder ich will für meinen Gott untergehen. Diese Antwort bitte ich Lord Winter zu bringen,« fügte sie bei und zeigte mit dem Finger auf das Erbauungsbuch, ohne es aber zu berühren, »und das hier können Sie wieder mitnehmen und selbst gebrauchen, denn Sie sind zweifelsohne ein doppelter Mitschuldiger des Lord Winter; mitschuldig bei seiner Verfolgung und mitschuldig bei seiner Ketzerei.« Felton gab keine Antwort. Er nahm das Buch mit demselben Gefühl des Widerwillens, das er schon geäußert hatte, und entfernte sich tiefsinnig. Gegen fünf Uhr abends kam Winter. Mylady hatte den ganzen Tag Zeit, ihre Operationspläne zu entwerfen. Sie empfing ihn als eine Frau, die schon wieder im Besitz ihrer Vorteile ist. Der Baron setzte sich in einen Lehnstuhl, dem gegenüber, den Mylady einnahm, streckte die Füße bequem nach dem Kamin aus und sagte: »Es scheint, daß wir eine kleine Apostasie gemacht haben.«
»Was wollt Ihr damit sagen, mein Herr?«
»Ich will damit sagen, daß Ihr, seit wir uns das letztemal sahen, den Glauben verändert habt. Nun, habt Ihr etwa einen dritten protestantischen Gemahl genommen?«
»Erklärt Euch, Mylord,« erwiderte die Gefangene mit Majestät, »denn ich versichere, daß ich zwar Eure Worte höre, dieselben aber nicht verstehe.«
»Dann habt Ihr gar keinen Glauben, und das ist mir um solieber,« entgegnete Lord Winter höhnisch lachend, »Das ist dann gewiß mehr nach Euren Grundsätzen,« sagte Mylady kalt. »Ich muß Euch bekennen, daß mir das ganz gleichgültig ist. Bekennt immerhin diese religiöse Gleichgültigkeit, Eure Laster und Verbrechen sind dafür zureichende Beweise.«
»Wie doch, Ihr redet von Lastern, Frau Messalina? Ihr redet von Verbrechen, Lady Macbeth? Entweder habe ich falsch verstanden, oder bei Gott! Ihr seid höchst unverschämt.«
»Ihr sprecht so, weil man uns hört, mein Herr!« versetzte Mylady mit
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