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Die drei Musketiere

Titel: Die drei Musketiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas
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Freiheit kommt heran. Gott wird zur Flucht die Feinde treiben, und trügt uns auch der fromme Wahn, wird doch der Märtyrtod uns bleiben!« Diese Strophe, in welche die furchtbare Zauberin ihre ganze Seele ergoß, hatte das Herz des jungen Offiziers vollends verwirrt. Er öffnete hastig die Tür, und Mylady sah ihn, zwar blaß, wie immer, doch mit funkelnden, fast irren Augen eintreten. »Warum singen Sie so?« fragte er, »und mit einer solchen Stimme?«
    »Um Vergebung, mein Herr,« versetzte Mylady in sanftem Ton, »ich vergaß, daß meine Lieder in diesem Hause nicht üblich sind. Ich bin Ihnen gewiß in Ihrem Glauben nahegetreten, allein ich schwöre, daß es unwillkürlich geschah. Vergeben Sie mir also einen Fehler, der vielleicht groß, doch sicherabsichtslos war.«
    »Jawohl,« erwiderte er, »ja, Sie stören die Leute in diesem Schlosse, Sie bringen sie in Aufregung.« Der arme Verrückte gewahrte nicht einmal das Unzusammenhängende seiner Worte, während Mylady mit ihrem Luchsauge in den tiefsten Grund seiner Seele drang. »Ich will schweigen,« sagte sie und schlug die Augen mit der ganzen Weichheit nieder, die sie ihrer Stimme zu geben vermochte, mit der ganzen Resignation in Miene und Gebärde. »Nein, nein, Madame,« entgegnete Felton, »singen Sie nur etwas weniger laut, zumal des Nachts.« Nach diesen Worten stürzte Felton aus dem Gemach, da er fühlte, er vermöge seine Haltung der Gefangenen gegenüber nicht länger zu behaupten.
    Felton war gekommen, doch blieb noch ein Schritt zu tun übrig; man mußte ihn zurückhalten, oder aber er mußte ganz allein bleiben und Mylady erblickte nur dunkel das Mittel, das sie zu diesem Resultat bringen sollte. Mylady konnte aber ungeachtet dieser Macht der Verführung an der geringsten Zufälligkeit scheitern, weil Felton schon in Kenntnis gesetzt war. Es war ein ziemlich hübscher Sommertag, und ein Strahl der blassen Sonne Englands, die wohl erleuchtet, aber nicht erwärmt, fiel durch die Gitter des Gefängnisses. Mylady sah durch das Fenster und tat, als hörte sie das Öffnen der Tür nicht, durch die Lord Winter jetzt eintrat. »Ah, ah,« rief Lord Winter, »nachdem man Komödie gespielt hat und nachdem man Tragödie gespielt hat, spielt man jetzt Melancholie?« Die Gefangene gab gar keine Antwort. »Ja, ja, ich begreife wohl,« fuhr Lord Winter fort; »Ihr wäret auf diesem Seegestade gern in Freiheit, Ihr möchtet gern auf einem guten Schiffe die Fluten dieser smaragdenen See durchsteuern; Ihr möchtet mir gern, ob nun zu Wasser oder zu Land, eine jener guten, kleinen Schlingen legen, die Ihr so trefflich zu werfen versteht. Geduld, nur Geduld! In vier Tagen ist Euch das Gestade erlaubt, steht Euch das Meer offen, vielleicht weiter als Ihr wünschen möget, denn in vier Tagen ist England von Euch erlöst.« Mylady faltete die Hände und erhob ihre schönen Augen zum Himmel. »Herr, Herr!« rief sie mit engelmilder Weichheit in Ton und Miene, »vergib diesem Manne, wie auch ich ihm vergebe.«
    »Ja, bete nur, Verdammte,« sprach der Baron, »dein Gebet ist um so edelmütiger, als du dich, das schwöre ich dir, in der Gewalt eines Menschen befindest, der dir nicht verzeihen wird.« Dann ging er fort. In dem Augenblick, wo er sich entfernte, glitt ein Blick durch die halb geöffnete Tür, und sie bemerkte Felton, der sich schnell zurückzog, damit sie ihn nicht sehen sollte. Sonach fiel sie auf die Knie und fing an zu beten. »Mein Gott, mein Gott,« sprach sie, »du weißt, weshalb ich leide; gib mir nur Kraft, mein Leid ertragen zu können.« Die Tür ging langsam auf; die schöne Andächtlerin stellte sich, als hätte sie es gar nichtgehört, und fuhr mit kläglicher Stimme fort: »O Gott, du Rächer! Gott der Güte! wirst du es zugeben, daß die schrecklichen Pläne dieses Mannes in Erfüllung gehen?« Jetzt erst machte sie Miene, als hörte sie das Geräusch der Tritte Feltons, und indem sie rasch wie ein Gedanke in die Höhe sprang, errötete sie, als ob sie sich schämte, daß man sie auf den Knien überrascht habe. »Madame, ich störe nicht gern die Andächtigen,« sagte Felton in ernstem Ton. »Ich beschwöre Sie also, lassen Sie sich durch mich nicht unterbrechen.«
    »Wie wissen Sie denn, daß ich andächtig war, mein Herr?« fragte Mylady mit schluchzender Stimme. »Sie irren, ich habe nicht gebetet.«
    »Glauben Sie denn, Madame,« erwiderte Felton mit demselben Ernst, doch mit etwas weicherer Betonung, »glauben Sie, daß ich mich für

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