Die drei Musketiere
glauben, Ew. Eminenz hege wirklich einen Verdacht gegen uns, uud wir müßten ein wahrhaftes Verhör bestehen.«
»Und wenn es in der Tat ein Verhör wäre?« fragte der Kardinal. »Monseigneur, ich habe gesagt: Ew. Eminenz habe nur zu fragen, und wir stehen bereit, zu antworten.«
»Was war das für ein Brief, den Ihr eben gelesen habt, Herr Aramis, und was habt Ihr versteckt?«
»Einen Brief von einer Frau, Monseigneur.«
»O, ich begreife,« versetzte der Kardinal, »bei derlei Briefen muß man diskret sein; allein mir, denke ich, könntet Ihr ihn doch wohl zeigen.«
»Monseigneur,« sprach Athos mit einer um so furchtbareren Gelassenheit, als bei dieser Antwort sein Kopf auf dem Spiele stand, »Monseigneur, der Brief ist von einer Frau, doch ist weder Marion Delorme, noch Frau von Combalet, noch Frau von Chalnes unterschrieben.« Der Kardinal wurde blaß wie der Tod. Ein grimmiger Blitz fuhr aus seinen Augen. Er wandte sich um, als wolle er Cahusac und La Houidière einen Auftrag erteilen. Athos bemerkte diese Bewegung und machte einen Schritt gegen die Musketen, auf welche die drei Freunde ihr Auge richteten, die sehr wenig geneigt waren, sich festnehmen zu lassen. Der Kardinal war zu zweien, die Musketiere mit Einschluß ihrer Lakaien waren sieben. Er dachte, die Partie wäre um so ungleicher, wenn Athos und seine Gefährten wirklich sich verschworen hätten, und durch eine der schnellen Wendungen, die ihm stets zu Gebot standen, hatte sich sein Ingrimm in ein Lächeln verwandelt. »Nun ja,« spracher, »Ihr seid brave junge Männer, stolz in der Sonne und getreu in der Dunkelheit, und es ist kein Fehler, über sich selbst zu wachen, wenn man so gut über andere wacht. Meine Herren, ich vergaß ganz und gar nicht auf jene Nacht, wo Ihr mir auf meinem Ritt nach dem ›Roten Taubenschlag‹ als Begleiter gedient habt. Stände irgend eine Gefahr auf dem Wege zu befürchten, den ich zu machen habe, so würde ich mir Euer Geleit erbitten. Da jedoch das nicht der Fall ist, so bleibt wo Ihr seid, und endigt Eure Flaschen, Eure Spielpartie und Euren Brief. Adieu, meine Herren!«
Alle machten bestürzte Gesichter, denn obwohl sie der Kardinal freundlich verlassen hatte, sahen sie doch, daß Seine Eminenz mit Groll im Herzen geschieden war. Athos allein lächelte gleichgültig. Als nun der Kardinal außer dem Bereich der Stimme und des Gesichts war, rief Porthos, der große Lust hatte, seine böse Laune auf andere fallen zu lassen: »Dieser Grimaud hat gar so spät gerufen!« Grimaud machte Miene, sich zu entschuldigen, doch Athos erhob seinen Finger und Grimaud schwieg. »Ich,« entgegnete Aramis mit einer flötenartigen Stimme, »ich war entschlossen. Hätte er die Auslieferung begehrt, so würde ich ihm mit der einen Hand den Brief übergeben, und mit der andern den Degen durch den Leib gestoßen haben.«
»Das habe ich auch erwartet,« versetzte Athos, »deshalb warf ich mich zwischen Euch und ihn. Dieser Mann ist wirklich unklug, daß er auf solche Weise mit andern Menschen spricht.«
»Lieber Athos,« sprach d'Artagnan, »ich bewundere Euch, allein im ganzen hatten wir doch unrecht.«
»Wie denn unrecht?« erwiderte Athos; »wem gehört diese Luft, die wir einatmen, wem dieses Meer, an dem wir gelagert sind? Wem dieser Brief von Eurer Geliebten? Etwa dem Kardinal, der sich ja nicht einbilden darf, ihm gehöre die ganze Welt. Ihr seid stammelnd, betroffen, vernichtet dagestanden, als ragte die Bastille vor Euch empor, und als hatte Euch die riesige Medusa in Stein verwandelt. Heißt verliebt sein sich verschwören? Ihr seid in eine Frau verliebt, die der Kardinal gefangen setzen ließ, das ist die Partie, die Ihr mit Seiner Eminenz spielt. Dieser Brief ist Euer Spiel. Was sollet Ihr Euer Spiel dem Gegner zeigen? Er mag es erraten; wir durchblicken recht gut das seinige.«
»Dann sei nicht mehr die Rede von dem, was vorgegangen ist, und Aramis fahre in dem Briefe seiner Base da zu lesen fort, wo er vom Kardinal unterbrochen wurde.« Aramis nahm den Brief wieder aus der Tasche. Die drei Freunde traten näher, und die drei Bedienten lagerten sich aufs neue um ihre Strohflasche. »Ihr habt erst ein paar Zeilen weit gelesen,« sagte d'Artagnan. »Fangt also wieder von vorn an.«
»Recht gern,« versetzte Aramis. »Mein lieber Vetter! Ich denke wohl den Entschluß zu fassen, nach Bethune abzureisen, wohin meineSchwester unsere kleine Magd in ein Kloster der Karmeliterinnen gebracht hat. Dieses arme Kind hat
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