Die drei Musketiere
sich gefügt, denn es weiß, daß es ohne Gefahr für sein Seelenheil anderswo nicht leben kann. Wenn aber unsere Familienangelegenheiten in Ordnung sind, wie wir es wünschen, so glaube ich, daß die Arme Gefahr laufen und zu denjenigen zurückkehren wird, nach denen sie sich um so mehr sehnt, als sie weiß, daß man immer an sie denkt. Ihr einziges Verlangen ist ein Brief von ihrem Bräutigam. Ich weiß recht gut, daß solche Waren schwierig durch die Gitter gelangen, allein im ganzen, lieber Vetter, bin ich – und ich gab Euch schon Beweise – gar nicht so ungeschickt, und will diesen Auftrag übernehmen. Meine Schwester dankt Euch für Eure beständige Erinnerung; sie war eine Weile in großer Besorgnis, doch sie ist jetzt wieder beruhigt, weil sie ihren Gehilfen hinabschickte, damit nichts Unvorhergesehenes geschehen könne. Adieu, lieber Vetter, gebt so oft wie möglich von Euch Nachricht, das heißt, so oft Ihr es mit Sicherheit tun zu können glaubt. Ich umarme Euch – Marie Michon.«
»O, wie bin ich Euch dankbar, Aramis!« rief d'Artagnan. »Constance, sie lebt in Sicherheit, lebt in einem Kloster; sie ist in Bethune! Athos, wo ist Bethune gelegen?«
»An der Grenze von Artois und Flandern; ist einmal die Belagerung vorüber, so können wir dahinreisen.«
»Und das wird nicht lange mehr dauern, wie ich hoffe,« versetzte Porthos, »denn es wurde diesen Morgen wieder ein Spion aufgeknüpft, der behauptet hat, daß die Rocheller am Leder ihrer Schuhe nagen. Da ich nun annehme, daß sie ihre Sohlen essen, wenn sie das Oberleder zernagt haben, so sehe ich nicht ein, was ihnen dann noch übrigbliebe, außer sie wollten einander selbst aufzehren.«
In der Gefangenschaft
Mylady träumte, sie habe endlich d'Artagnan erhascht, und wohne seiner Hinrichtung bei; der Anblick seines verhaßten Blutes, das unter dem Beil des Henkers floß, erzeugte jenes reizende Lächeln auf ihren Lippen. Sie schlief, wie ein Gefangener schläft, den seine erste Hoffnung einwiegt. Als man am folgenden Morgen in ihr Gemach kam, war sie noch im Bette. Felton blieb im Korridor; er brachte die Frau, von der er tags zuvor gesprochen hatte. Diese Frau trat ein, näherte sich dem Bette Myladys und trug ihr ihre Dienste an. Mylady war blaß, somit konnte ihre Gesichtsfarbe diejenige berücken, die sie zum erstenmal sah. »Ich habe das Fieber,« sagte sie, »und konnte die ganze Nacht keinen Augenblick lang schlafen. Ich leide entsetzlich; werdet Ihr doch menschlicher sein, als man es gestern gegen mich war? Alles, was ich wünsche, ist, daß ich liegenbleiben kann.«
»WollenSie, daß man einen Arzt hole?« fragte die Frau. Felton hörte dieses Gespräch an, ohne daß er ein Wort sagte. »Einen Arzt holen,« entgegnete sie, »wozu? Diese Herren haben gestern erklärt, daß mein Übel nur eine Komödie sei; und heute würden sie sicher dasselbe sagen, denn seit gestern hätte man Zeit genug gehabt, einen Arzt zu rufen.«
»Nun, so sprechen Sie selbst,« sagte Felton ungeduldig, »was für eine Behandlung Sie wollen!«
»Ach, mein Gott! weiß ich es? Ich fühle nur, daß ich leidend bin. Man gebe mir, was man will, mir gilt es gleich.«
»Beruft Lord Winter.« sagte Felton der ewigen Klagen müde. »Ach, nein, nein!« rief Mylady, »nein, mein Herr, ich beschwöre Sie, rufen Sie ihn nicht; ich fühle mich wohl, ich bedarf nichts, holen Sie ihn nicht.« Sie legte in die Bitte so viel natürlichen Nachdruck, daß Felton, davon hingerissen, einige Schritte vorwärts trat. »Er ist gerührt,« dachte Mylady. »Wenn Sie wirklich leidend sind, Madame,« sprach Felton, »so wird man nach einem Arzt schicken; und wenn Sie uns täuschen, nun, so fällt es für Sie um so schlimmer aus, wir haben uns mindestens keinen Vorwurf zu machen.« Mylady gab keine Antwort, sondern lehnte ihren schönen Kopf zurück auf das Kissen, vergoß Tränen und brach in Schluchzen aus. Felton betrachtete sie ein Weilchen mit seiner gewöhnlichen Fühllosigkeit; da er aber sah, daß sich die Krisis zu verlängern drohe, entfernte er sich. Die Frau folgte ihm. Lord Winter kam nicht. »Mich dünkt, daß ich klar zu sehen anfange,« murmelte Mylady mit wilder Freude und wühlte sich in ihre Kissen, um allen denen, die sie belauschen könnten, ihre innere Wonne zu verbergen. Zwei Stunden gingen so vorüber. »Nun ist es Zeit,« sagte sie, »mit der Krankheit aufzuhören. Wir wollen aufstehen, und noch heute einigen Erfolg zu erzielen trachten. Ich habe nur zehn Tage,
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