Die drei Musketiere
mit einem Lächeln auf den Lippen und mit Wut im Herzen. Man brachte das Abendbrot. Mylady fühlte, daß sie Kräfte nötig habe. Sie wußte nicht, was in dieser Nacht, die so drohend heranrückte, geschehen konnte; denn schwere Wolken jagten am Himmel, und ferne Blitze deuteten auf Sturm. Gegen zehn Uhr abends brach der Sturm auch wirklich los. Mylady fand darin einen Trost, daß die Natur die Zerrüttung ihres Herzens teilte. Der Donner dröhnte in der Luft, wie der Ingrimm in ihrer Seele. Es kam ihr vor, als ob der Wind über ihre Stirn hinbrauste, wie über die Bäume, deren Äste er beugte, und deren Blätter er fortriß: sie heulte wie der Orkan, und ihre Stimme verlor sich in der großen Stimme der Natur, die gleichfalls zu seufzen und zu verzweifeln schien. Sie betrachtete von Zeit zu Zeit einen Ring, den sie am Finger trug. Der Kasten dieses Ringes enthielt ein feines, heftiges Gift; das war ihre letzte Zuflucht. Auf einmal hörte sie an einer Fensterscheibe pochen, und bei dem Schein eines Blitzes bemerkte sie hinter dem Gitter ein männliches Gesicht. Sie eilte zum Fenster, machte es auf und rief: »Felton! ich bin gerettet!«
»Ja,« sprach Felton, »doch stille, stille. Ich habe einige Zeit nötig, um diese Gitterstangen zu durchsägen. Haben Sie acht, daß man Sie nicht durch das Türgitter bemerke.«
»O, Felton, das beweist, daß der Herr für uns ist,« sagte Mylady; »man hat das Gitter mit einem Brett vernagelt.«
»So ist es recht,« versetzte Felton, »Gott hat sie der Sinne beraubt.«
»Doch, was habe ich zu tun?« fragte Mylady. »Nichts, nichts! machen Sie nur dieses Fenster wieder zu. Gehen Sie schlafen, oder legen Sie sich wenigstens ganz angekleidet in das Bett. Wenn ich fertig bin, klopfe ich an die Scheibe. Können Sie mir aber folgen?«
»O ja!«
»Ihre Verwundung?«
»Verursacht mir wohl Schmerz,hindert mich aber nicht am Gehen.«
»Machen Sie sich also bereit auf den ersten Wink.« Mylady machte das Fenster zu, verlöschte die Lampe und streckte sich auf das Bett, wie es ihr Felton empfohlen hatte. Mitten unter dem Brausen des Sturmes vernahm sie das Scharren der Feile an der Stange, und bei dem Schein jedes Blitzes bemerkte sie hinter dem Schein Feltons Schatten. Sie brachte schweratmend eine Stunde zu, Schweiß auf der Stirn, das Herz von schrecklicher Angst beklommen bei jedem Geräusch im Korridor. Nach Verlauf einer Stunde pochte Felton aufs neue. Mylady sprang aus ihrem Bett und schloß auf; zwei durchsägte Spangen bildeten eine Öffnung, so daß ein Mensch hindurch konnte. »Sind Sie bereit?« fragte Felton. »Ja; habe ich etwas mit mir zu nehmen? Zum Glück ließ man mir das, was ich hatte.«
»Um so besser, denn ich verwendete das meinige, um ein Schiff zu mieten.«
»Nehmen Sie,« sagte Mylady und legte in Feltons Hände eine Börse voll Gold. Felton nahm die Börse und warf sie zu Fuß der Mauer. »Wollen Sie jetzt kommen?« fragte er. »Hier bin ich schon.« Mylady stieg auf einen Stuhl und schlüpfte mit dem ganzen Oberleib durch das Fenster. Sie sah, daß der junge Offizier über einem Abgrund auf einer Strickleiter stand. Sie ward durch eine Bewegung des Schreckens zum erstenmal daran erinnert, daß sie ein Weib sei. Es graute ihr vor der Tiefe des Abgrunds. »Das habe ich gedacht,« sprach Felton. »Es ist nichts,« versetzte Mylady, »ich will mit geschlossenen Augen hinabsteigen.«
»Setzen Sie Vertrauen in mich?« fragte Felton. »Wie können Sie so fragen!«
»Reichen Sie Ihre beiden Hände, kreuzen Sie dieselben; so ist's gut.« Felton band ihr mit seinem Sacktuch die zwei Faustgelenke zusammen, und wickelte darüber einen Strick. »Was tun Sie da?« fragte Mylady betroffen. »Schlingen Sie die Arme um meinen Hals und seien Sie ohne Angst.«
»Doch Sie werden durch mich das Gleichgewicht verlieren und wir fallen beide in den Abgrund.«
»Seien Sie ruhig, ich bin ein Seemann.« Es war keine Sekunde zu verlieren; Mylady schlang ihre Arme um Feltons Nacken und ließ sich aus dem Fenster gleiten.« Felton stieg allgemach von Sprosse zu Sprosse hinab. Der Orkan, schaukelte die zwei Körper ungeachtet ihrer Schwere in der Luft. Auf einmal hielt Felton an. »Was ist's?« fragte Mylady. »Still,« flüsterte Felton, »ich höre Tritte.«
»Wir sind entdeckt!« Es ward wieder ein Weilchen stille. »Nein,« sagte Felton, »es ist nichts.«
»Doch was für ein Geräusch ist denn das?«
»Das ist die Patrouille auf ihrer Runde.«
»Wo ist die
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