Die drei Musketiere
Schrei aus und eilte zu ihr: es war zu spät, Mylady hatte schon gezückt. Zum Glück – wir sollten sagen, geschickterweise – traf das Messer auf das stählerne Blankscheit, das damals wie ein Panzer die Brust der Frauen schirmte. Es durchbohrte wohl das Kleid, glitt jedoch ab. und drang quer zwischen dem Fleisch und den Rippen ein. Nichtsdestoweniger ward Myladys Kleid sogleich mit Blut befleckt. Mylady fiel um und schien ohnmächtig. Felton entriß ihr das Messer und sprach mit finsterer Miene: »Seht, Mylord, diese Frau ward meiner Behütung anvertraut, und hat sich entleibt.«
»Seid ruhig, Felton!« entgegnete Lord Winter, »sie ist nicht tot.«
»Doch, Mylord!«
»Geht nur, ich befehl es.« Felton gehorchte dem Befehl seines Vorgesetzten, doch steckte er, als er fortging, das Messer in sein Wams.
Die Flucht
Wie es Lord Winter gedacht hatte, so war Myladys Wunde nicht gefährlich; als sie mit der Frau allein war, die der Baron gerufen hatte, und die sie entkleidete, öffnete sie die Augen wieder. Indes mußte man Schwachheit und Schmerz heucheln; und das war für eine Schauspielerin wie Mylady keine Schwierigkeit. Auch ward die arme Frau von der Gefangenen in der Art betört, daß sie ungeachtet aller Gegenvorstellungen darauf beharrte, die ganze Nacht bei ihr zu wachen. Aber die Anwesenheit dieser Frau störte Mylady in ihren Gedanken nicht. Es gab keinen Zweifel mehr, Felton war überzeugt, Felton gehörte ihr. Gegen vier Uhr traf der Arzt ein, allein in der Zwischenzeit hatte sich Myladys Wunde wieder geschlossen; somit konnte der Arzt weder ihre Richtung, noch ihre Tiefe ermessen. Er fühlte nur an dem Pulse der Kranken, daß der Fall nicht von Bedeutung war. Am Morgen entließ Mylady die Frau, die bei ihr wachte, unter dem Vorwand, sie habe die ganze Nacht nicht geschlafen, und habe jetzt Ruhe nötig. Sie gab der Hoffnung Raum, daß Felton beim Frühmahl erscheine, allein er kam nicht. Waren ihre Besorgnisse in Erfüllung gegangen? Sollte ihr Felton, von dem Baron in Verdacht gezogen, in diesem Moment fehlen? Sie hatte nur noch einen Tag. Lord Winter verkündete ihr die Einschiffung auf den dreiundzwanzigsten und man war bereits am Morgen des zweiundzwanzigsten. Nichtsdestoweniger wartete sie noch duldsam bis zur Mittagsstunde. Wiewohl sie am Morgen nichts genossen hatte, wurde doch das Mittagmahl zur gewöhnlichen Stunde aufgetragen. Mylady bemerkte mit Schrecken, daß sich die Uniform der wachhabenden Soldaten verändert habe. Jetzt wagte sie es zu fragen, was mit Felton geschehen sei. Man gab ihr zur Antwort: »Felton habe sich vor einer Stunde zu Pferde gesetzt und sei fortgeritten.« Sie erkundigte sich, ob der Baron noch immer im Schlosse sei. Der Soldat bejahte diese Frage mit dem Bemerken, er habe den Auftrag erhalten, es ihm zu melden, wenn die Gefangene mit ihm sprechen wollte. Mylady erwiderte, für den Augenblick wäre sie zu schwach, und möchte gern allein bleiben. Felton war fort, die Seesoldaten abgelöst; also mißtraute man Felton. Das war der letzte Schlag für die Gefangene. Um sechs Uhr kam Lord Winter, bis an die Zähne bewaffnet. Dieser Mann, in dem Mylady vordem nur einen feinen, artigen Edelmann gesehen, war ein merkwürdiger Kerkermeister geworden. Er schien alles zu ahnen, alles zu erraten, allem zuvorzukommen. Ein einziger Blick, den er auf Mylady geworfen, sagte ihm, was in ihr vorging. »Wohlan,« sprach er, »doch heute werdet Ihr mich noch nicht töten; Ihr habt keine Waffen mehr,und außerdem bin ich auf meiner Hut. Ihr hattet bereits angefangen, meinen armen Felton zu umgarnen; er verspürte schon Euren höllischen Einfluß, allein ich will ihn retten, er wird Euch nicht mehr sehen. Alles ist vorüber. Bindet Eure Siebensachen zusammen, morgen reiset Ihr ab. Ich hatte die Abfahrt für den dreiundzwanzigsten festgesetzt, allein je näher die Sache gerückt wird, um so sicherer ist sie. Morgen mittag ist Euer Verhaftungsbefehl von Buckingham unterfertigt in meiner Hand. Redet Ihr ein einziges Wort zu irgend jemandem, ehe Ihr auf dem Schiffe seid, so jagt Euch laut Befehl mein Sergeant eine Kugel durch den Kopf. Redet Ihr ein einziges Wort auf dem Schiff, ehe es der Kapitän erlaubt, so läßt Euch dieser ins Meer hinausschleudern, das ist schon abgemacht. Auf Wiedersehen; das hatte ich Euch heute mitzuteilen, morgen sehe ich Euch wieder, um Euch mein Lebewohl zu sagen.«
Nach diesen Worten ging der Baron wieder fort. Mylady hörte diese ganze, bedrohliche Tirade an
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