Die drei Musketiere
Bonacieux?«
»Ja, Herr Offizier, zu dienen,« stammelte der Krämer, mehr tot als lebendig.
»Tretet ein,« sagte der Offizier. Der Krämer ging auch ohne Widerrede und trat in das Zimmer, wo er erwartet zu sein schien. Es war ein geräumiges Kabinett, an den Wänden mit Schutz- und Trutzwaffen ausgestattet, gut abgeschlossen und gelegen; es brannte darin bereits ein Feuer, obgleich man kaum erst am Ende des Monats September war. In der Mitte dieses Gemachs stand ein viereckiger Tisch, auf dem neben Büchern und Schriften ein ungeheurer Plan der Stadt Rochelle ausgebreitet lag. Vor dem Kamin stand ein Mann von mittlerer Größe, stolzer hochmütiger Miene, mit durchbohrenden Augen, breiter Stirn und hagerem Gesicht, das sich durch einen vom Schnurrbart überragten Knebelbart noch verlängerter ausnahm. Obschon dieser Mann kaum sechsunddreißig bis siebenunddreißig Jahre zählen mochte, so fingdoch sein Haar und der Doppelbart an, grau zu werden. Dieser Mann sah auch ohne Degen wie ein Krieger aus, und seine Stiefel, von Büffelleder, und noch ganz mit leichtem Staub bedeckt, zeigten an, daß er an diesem Tag einen Ritt gemacht habe. Dieser Mann war Armand Jean Duplessis, Kardinal von Richelieu, keineswegs so wie er uns dargestellt wird: gebeugt wie ein Greis, leidend wie ein Märtyrer, mit gebrochenem Leib, erloschener Stimme, vergraben in einem großen Lehnstuhl wie in einem antizipierten Grabe, bloß durch die Kraft seines Geistes noch lebend und den Kampf mit Europa nur noch aushaltend durch die unablässige Tätigkeit seines Genius, sondern so, wie er zu jener Zeit wirklich war, nämlich ein offener nnd großherziger Edelmann, wohl schwach von Körper, jedoch unterstützt von einer moralischen Kraft, die aus ihm einen der außerordentlichsten Menschen machte, die je gelebt haben; endlich sich vorbereitend, nachdem er den Herzog von Nevers in seinem Herzogtum Mantua aufrechterhalten, nachdem er Nimes, Castres und Uzès weggenommen, die Engländer von der Insel Ré zu verjagen und La Rochelle zu belagern. Für den ersten Anblick bezeichnete also nichts den Kardinal, und die sein Gesicht nicht kannten, vermochten unmöglich zu erraten, vor wem sie standen. Der arme Krämer blieb vor der Tür stehen, während die Augen des Mannes, den wir eben geschildert haben, auf ihn gerichtet waren und ihm bis auf den Grund seiner Gedanken dringen zu wollen schienen. Nach einem kurzen Stillschweigen sprach er: »Ist das Bonacieux?«
»Ja, Monseigneur!« erwiderte der Offizier.
»Wohl, gebt mir jene Papiere dort und lasset uns allein.« Der Offizier nahm die bezeichneten Papiere vom Tisch, überreichte sie dem, der sie verlangte, verneigte sich bis zur Erde und ging fort. Bonacieux erkannte in diesen Schriften die Verhörakten von der Bastille. Von Zeit zu Zeit erhob der Mann am Kamin die Augen von den Schriften und versenkte sie wie zwei Dolche in den Herzgrund des armen Krämers. Als der Kardinal zwei Minuten lang gelesen und geprüft hatte, war er mit sich im reinen. »Dieser Kopf da war noch nie bei einer Verschwörung beteiligt,« murmelte er; »doch gleichviel, wir wollen sehen.«
»Ihr seid des Hochverrats beschuldigt,« sprach der Kardinal langsam.
»Das ist mir schon gesagt worden, Monseigneur,« erwiderte Bonacieux, indem er dem Fragenden den Titel beilegte, wie er ihn vom Offizier anssprechen hörte, »allein ich schwöre Ihnen, daß ich nichts davon wußte.« Der Kardinal unterdrückte ein Lächeln.
»Ihr habt Euch mit Eurer Gemahlin, mit Frau von Chevreuse und dem Herzog von Buckingham in ein Komplott eingelassen.«
»Monseigneur!« antwortete der Krämer, »ich hörte sie in der Tat alle diese Namen aussprechen.«
»Und bei welcher Veranlassung?«
»Sie hat gesagt, daß der Kardinal von Richelieu den Herzog von Buckingham nach Paris lockte, um ihn zuvernichten, und die Königin mit ihm.«
»Das hat sie gesagt?« rief der Kardinal mit Heftigkeit.
»Ja, Monseigneur! allein ich sprach zu ihr, daß sie unrecht tue, solche Worte zu reden, und Seine Eminenz wäre unfähig...«
»Schweigt, Ihr seid ein Schwachkopf!« rief der Kardinal.
»Eben das hat mir auch meine Frau geantwortet, Monseigneur!«
»Wißt Ihr, wer Eure Gemahlin entführt hat?«
»Nein, Monseigneur!«
»Ihr habt aber doch einen Verdacht!«
»Ja, Monseigneur, allein dieser Verdacht schien den Herrn Kommissar zu verdrießen, und ich habe ihn nicht mehr.«
»Eure Gemahlin ist entschlüpft– wißt Ihr das?«
»Nein, Monseigneur, ich erfuhr
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