Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)
ihnen stand; das stark gewürzte Getränk erhitzte ihm wohl den Magen und die Gedärme, aber nicht das Herz in der Hose.
Die schöne Blancheflor verwunderte sich nicht im geringsten über die Schnödigkeit ihres Mannes; denn sie war jungfräulich nicht nur am Leib, sondern auch an der Seele und sah in der Heirat, was eben junge Mädchen darin sehen, nämlich schöne Kleider, Feste, Pferde, Dame und Gebieterin sein, eine Grafschaft haben, einer Dienerschaft befehlen können et cetera. Als das Kind, was sie war, spielte und tändelte sie mit den goldenen Eicheln der Bettgehänge und konnte sich nicht genug erstaunen über die reiche Zurüstung, worin ihre Jungfernschaft begraben werden sollte.
Zu spät fühlte nun der alte Seneschall sein Unrecht; er hoffte aber auf die Zukunft, die ihm doch logischerweise von Tag zu Tag immer mehr von dem nehmen mußte, wovon er schon jetzt soviel wie nichts besaß.
In Ermanglung von Taten nahm er einstweilen seine Zuflucht zu Worten und suchte seine Frau zu unterhalten, so gut es gehen mochte. Er versprach ihr die Schlüssel zur Schatzkammer, zum Vorratsspeicher und allen Schränken sowie die Verwaltung der Einkünfte aus seinen Häusern und Landgütern, ohne daß er ein Wort dreinreden wolle, kurz, hielt ihr einen Köder nach dem andern vor und machte ihr, wie man zu sagen pflegt, den Mund wässerig nach tausend Dingen.
Ihr wurde es dabei wohl wie einem jungen Streitroß vor der vollen Krippe, sie fand ihren Trottel von Ehemann charmant über alle Maßen; und indem sie sich im Bett aufsetzte und mit vergnügtem Lächeln umblickte, hatte sie eine neue Freude an dem großen und reichen Bett mit grünem Brokat und goldenen Borten, in dem sie nun jede Nacht schlafen durfte. Diese heitre Laune mißdeutete aber der ungewitzigte Ehemann, der wohl mit allen Hunden gehetzt war, aber, was eine Jungfrau ist, kaum anders als vom Hörensagen kannte. Er beurteilte das liebe Ding nach den Weibsbildern, mit denen er sich immer abgegeben, und meinte nicht anders – denn er wußte aus Erfahrung, daß die Frauen keineswegs so weiß von Seele sind wie von Haut –, als daß sie nun mit Gehätschel und Getätschel und heimlichen Manipulationen das bekannte Spiel und Scharmützel einleiten wolle, dem er sich ehemals sicher nicht entzogen hätte, das ihn aber jetzt so kalt ließ wie eine Seelenmesse für den Papst. Er wich ihr also aus bis zum Rand des Bettes, voller Angst vor dem drohenden Unglück.
»Nun, mein Liebchen«, sagte er, »da bist du also jetzt Seneschallin, und wahrlich, der Schalk schaut dir aus den Augen. Man sieht dir an, daß du glücklich bist.«
»Nicht im geringsten«, sagte sie.
»Wie!« rief er erschrocken; »habe ich Euch nicht zu einer großen Dame gemacht?«
»Nein«, sagte sie wieder, »ich bin ja noch immer ein Mädchen. Eine Frau bin ich erst, wenn ich ein Kind habe.«
»Habt Ihr die schönen Wiesen gesehen beim Ritt hierher?«
»Ja«, antwortete sie.
»Nun, sie sind Euer.«
»Oh!« rief sie lachend, »so will ich darauf nach Schmetterlingen jagen.«
»So gefallt Ihr mir. Und den Wald nach der andern Seite, habt Ihr den gesehen?«
»Darin würde ich mich fürchten allein, da müßt Ihr mich begleiten; aber gebt mir doch ein wenig von dem Trank, den die Barbara mit so großer Sorgfalt für Euch zubereitet hat.«
»Nicht doch, mein Kind, er würde dir die Eingeweide verbrennen.«
»Oh, ich will ihn versuchen«, rief sie voll Unwillen über seine Weigerung, »denn ich möchte Euch sobald wie möglich ein Kindlein schenken, und man hat mir gesagt, daß der Trank zu diesem Zweck gemacht ist.«
»Mein Liebes«, sagte der Seneschall, der jetzt wohl sah, ein wie unschuldiges Ding seine Frau war, »dazu gehört zweierlei: erstens, daß es der Wille Gottes sei, und zweitens, daß sich die Frau im Zustand der Heublüte befinde.«
»Und wann werde ich im Zustand der Heublüte sein?« fragte sie lächelnd.
»Wann es der Frau Natur gefallen wird«, antwortete er in spaßhaftem Ton.
»Was kann man aber dazu tun?« fragte sie wieder.
»Ach Gott, dazu ist eine kabbalistische und alchimistische Operation erforderlich, die sehr gefährlich werden kann.«
»Ah«, erwiderte sie nachdenklich, »das ist also der Grund, warum meine Mutter so weinte beim Gedanken an diese Verwandlung; aber Berthe de Preuilly, die so glücklich ist über ihren neuen Stand, hat mir gesagt, daß es auf der Welt nichts Leichteres gebe.«
»Je nach dem Alter«, antwortete der alte Ritter; »aber
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