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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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habt Ihr im Stall den schönen weißen Zelter gesehen, von dem man spricht im ganzen Tourainer Land?«
    »Gewiß, er ist so sanft und schön.«
    »Nun denn, ich schenke ihn Euch, und Ihr könnt ihn besteigen, wann und sooft Euch nur die Lust ankommt.«
    »Ihr seid wahrhaftig die Güte selber, man hat mich nicht belogen.«
    »Alles ist hier Euer Eigentum, mein Liebchen: der Kellermeister, der Kaplan, der Schatzverwalter, der Stallmeister, der Koch, der Amtmann, sogar der Herr von Montsoreau, dieser junge Walter, mein Bannerträger, zusamt seinen Kriegsknechten, Hauptleuten, Menschen und Tieren; sie alle gehören Euch, und ein Wink von Euch wird ihnen Befehl sein unter Strafe des Stranges.«
    »Aber«, erwiderte sie, »diese alchimistische und kabbalistische Operation, kann sie nicht gleich jetzt vorgenommen werden?«
    »O nein«, antwortete der Seneschall, »dazu ist es nötig, daß wir beide im vollkommenen Zustand der Gnade seien. Andernfalls würden wir uns versündigen gegen das kanonische Gesetz, und unser Kind käme zur Welt, beladen mit dem Fluch Gottes. Aus diesem Grunde gibt es so viele böse und unverbesserliche Menschen auf der Welt. Ihre Erzeuger waren nicht im Zustand der Reinheit, darum sind ihre Kinder verworfene Wesen. Die Schönen und Tugendhaften kommen von Eltern, die rein und ohne Sünde waren. Darum lassen wir Edeln unser Bett weihen und einsegnen mit Kerzen und Weihrauch, wie der Abt von Marmoustiers mit diesem hier getan hat ... Wißt Ihr Euch auch keiner Sünde schuldig wider ein Gebot der heiligen Kirche?«
    »Gewiß nicht!« rief sie lebhaft. »Ich habe vor der Messe die Absolution erhalten von allen meinen Sünden. Und seither hab ich nicht einmal ein Dreiviertelsündchen begangen.«
    »Ja, Ihr seid die Tugend selbst«, beteuerte der listige Ehemann, »und ich bin glücklich, Euch zur Frau zu haben. Aber ich, bei Gott, ich habe geflucht wie ein Türke.«
    »Oh, warum denn?«
    »Weil der Tanz nicht enden wollte, während ich vor Ungeduld brannte, Euch hier allein zu haben und zu küssen.«
    Er ergriff ihre Hand bei diesen Worten, streichelte sie zärtlich, und mit einigen nichtssagenden Liebkosungen drückte er die Frau an seine Brust, daß sie ganz glücklich und zufrieden war. Sie fühlte sich übrigens müde vom vielen Tanzen und all den Zeremonien.
    »Morgen werde ich über Euch wachen, daß Ihr nicht wieder sündigt«, sagte sie und legte sich auf die Kissen zurück.
    Mit Entzücken betrachtete sie der Greis in ihrer weißen Schönheit, voll Bewunderung für ihre zarte Natur, aber dann kratzte er sich verzweifelt hinter den Ohren. Es schien ihm ebenso schwer, sie in ihrer entzückenden Unwissenheit zu erhalten, als sich zu erklären, warum der Ochs sein Futter sozusagen zweimal frißt. Obgleich ihm aber nichts Gutes ahnte, geriet er immer mehr in Ekstase vor den seltenen Vollkommenheiten der schlummernden Blancheflor und faßte den Vorsatz, dieses Kleinod der Liebe zu bewahren und zu verteidigen bis in den Tod ... Mit Tränen in den Augen küßte er ihr das goldene Haar, die gesenkten Augenlider, den roten frischen Mund, aber sanft und vorsichtig, damit sie nicht erwache ...
    Das war die einzige Frucht dieser Brautnacht, die ihm das Herz verbrannte, indes die ahnungslose Blancheflor den Schlaf eines Kindes schlief. Der arme Greis aber raufte sich verzweiflungsvoll das ergraute Haar, er hätte hohnlachen mögen, daß ihm Gott die schönste Nuß gerade so lange hatte aufheben wollen, bis er just keine Zähne mehr hatte, um sie aufzubeißen.

Wie sich der zahnlose Seneschall mit der Jungfernschaft seiner Frau herumbiß

     
    In den ersten Tagen seiner Heirat erfand unser Ritter von der traurigen Gestalt tausend plumpe Lügen, um die kostbare Unwissenheit seiner Frau damit zu füttern und am Leben zu erhalten. Sein Richteramt mußte ihm zum Vorwand dienen, wenn er sie allein ließ. Er bot ihr alle Vergnügungen des Landlebens, um sie zu entschädigen und zu zerstreuen, und suchte mit albernen Spaßen ihren Geist abzulenken und einzuschläfern.
    Die hohen Herren und vornehmen Leute, sagte er ihr, betragen sich auch in der Ehe nicht wie das gemeine Volk, und die Kinder der Grafen dürften nur bei gewissen Konstellationen der Gestirne gepflanzt werden, Tag und Stunde hätten allein die Astrologen zu bestimmen. Verboten sei die Sache, als eine schwere Arbeit, an allen Sonn- und Festtagen. Er aber wolle als guter Christ sich einer so schlimmen Sünde nicht schuldig machen. Die im Stand der

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