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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Ungnade erzeugten Kinder, behauptete er ein andermal, würden blind, wenn sie am Tag von Sankt Klara gepflanzt wären, die von Sankt Vitus bekämen den Veitstanz, die von Sankt Wolfgang würden vom Wolf gefressen, die von Sankt Rochus bekämen Pest und Aussatz. Die Kinder vom Februar, erklärte er ihr, wären dem Fieber unterworfen, die vom März würden unbändige Wildfänge, die vom April reine Taugenichtse, die vom Mai unverbesserliche Wüstlinge. Er seinerseits aber wolle ein vollkommenes Kind, ein Kind ohne Fehl und Makel, ein Kind, das ein Ausbund sei aller Tugenden, da handle es sich drum, den glücklichsten Augenblick abzuwarten.
    Dann wieder sagte er zu Blancheflor, daß es das Recht des Mannes sei, seiner Frau ein Kind zu schenken oder zu verweigern, ganz nach seinem Willen, und daß eine tugendhafte Ehefrau niemals murre wider den Willen ihres Herrn. Und jedenfalls müsse man abwarten, bis die Frau Schwiegermama aus dem Morgenlande zurückkäme, damit sie der Niederkunft beiwohnen könne.
    Aus all dem glaubte Blancheflor herauszuhören, daß ihr Fragen und Drängen dem Grafen lästig falle und daß er seine guten Gründe haben möge, da er ja alt und wohlerfahren sei. Sie gab sich darum zufrieden und dachte an das ersehnte Kind nur noch, wenn sie ganz allein war, das heißt, sie dachte Tag und Nacht daran wie eine Frau, die sich etwas in den Kopf gesetzt hat und nicht bedenkt, daß sie mit ihrem ewigen Schielen nach der verbotenen Frucht schon eine halbe Ehebrecherin ist.
    Bruyn selber ging dem Gespräch über Kinder so ängstlich aus dem Weg wie die Katze dem Wasser; aber eines Abends verfiel er dennoch unvorsichtigerweise auf das verhaßte Thema. Er hatte an dem Tag über einen Knaben wegen einer Übeltat schwere Strafe verhängt und konnte die Bemerkung nicht unterdrücken, daß das so ein Früchtchen wäre, wie sie im Stand der Todsünde erzeugt werden.
    »Ach«, sagte Blancheflor, »ich wollte, Ihr beschertet mir eines; und wenn Ihr auch noch so schwere Sünden auf Euch hättet, ich wollte es schon zum Guten erziehen, Ihr solltet gewiß zufrieden sein ...«
    Da erkannte der Graf, daß die Phantasie der Frau den Kopf erhitze und daß es höchste Zeit wäre, den Kampf aufzunehmen mit der verdammten Jungfernschaft, deren er Herr werden müsse, koste es, was es wolle, die er entweder vernichten und zerstören oder einschläfern und abtöten müsse.
    »Du möchtest also Mutter werden, mein Liebchen«, sprach er; »aber noch ist dir der Beruf der Frau zu neu, und du hast dich noch gar nicht so recht dran gewöhnt, die Gräfin und große Dame richtig vorzustellen.«
    »Oho!« sagte sie, »um eine vollkommene Gräfin zu sein und einen kleinen Grafen in meinem Schoß zu tragen, wäre es nötig, daß ich die Miene der Herrscherin aufsetze? Nun, ich werde sie aufsetzen, gebt acht!«
    Und also hoffte sie ein Kind zu bekommen, wenn sie recht als große Dame lebte. Sie ließ es nicht fehlen. Sie jagte den Hirsch und die Hindin, sie durchpirschte mit den Rüden Dickicht und Gebüsch, sie sprengte auf ihrem Zelter über Berg und Tal, über Hecken und Gräben, sie entkappte den Falken auf ihrer Faust und ließ ihn zur Jagd aufsteigen im Galopp ihres Pferdes. Und der Seneschall lachte sich ins Fäustchen. Das war, was er gewollt hatte.

     
    Dennoch hatte er sich verrechnet. Die wilde Jagd in Wald und Flur weckte etwas in Blancheflor, was seither geschlafen hatte; ein Hunger, ein Appetit, etwas wie ein wildes Tier reckte sich in ihr auf, daß sie Mühe hatte, es zurückzudämmen, wenn sie glühend und blühend sich den Staub und Schweiß der Jagd von den Gliedern wusch. Das Tier bleckte die Zähne. Auf der Jagd las sie die Inschriften an den Wegen, überraschte das Tier des Waldes in der Brunst, überfiel den Auerhahn im tollsten Liebesrausch, und allmählich lüftete die Natur den Schleier vor ihren Kinderaugen. Ihre Lippen wurden röter, ihre Lebensgeister immer übermütiger, das kriegerische Wesen spornte und stachelte ihren Wunsch, sie ließ ihm die Zügel schießen, sie ließ ihn mit sich durchgehen. Was der Seneschall mit Anstrengung und Ermüdung zu töten oder wenigstens zu entwaffnen gedachte, wurde davon erst recht lebendig, wurde ungestüm, bäumte sich auf und brannte nach dem Kampf, wie der frischbespornte Page nach dem Turnier, nach Ringelstechen und Lanzenbrechen ...
    Der gute Graf erschrak; aus dem Ei seiner falschen Klugheit war ein fürchterlicher Drache ausgekrochen, und das Ruhebett seines Alters

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