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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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verbrannte Heidin sein. Aber statt einen Augenblick am Leibe gebraten zu werden, fiel ihr nun das Los, daß eine Flamme durch lange, lange Jahre sie langsam verzehrte, denn um ihrer Bekehrung sicher zu sein, steckte man sie in das Nonnenkloster nahe bei Chardonneret, wo sie eine Heilige werden sollte. Die genannte Zeremonie, ihrer Bekehrung aber vollzog sich im Palaste des Erzbischofs, und es wurde bei der Gelegenheit zur Ehre unsres Herrn und Heilands mehrere Tage bankettiert und getanzt, woran sich alle schönen Damen und hohen Herren des ganzen Tourainer Landes beteiligten, eines Landes, wo man mehr tanzt und turniert, bankettiert und Feste feiert und lustige Saufgelage hält als in der ganzen übrigen Welt zusammen.
    Der gute Seneschall hatte zur Mitgevatterin die Tochter des Herrn von Azay-le-Ridel oder Azay-le-Brusle ausgewählt, der zur Eroberung des Heiligen Landes ausgezogen und bei der Belagerung von Acre in die Hände eines Sarazenen gefallen war, welcher, da der fränkische Ritter danach aussah, ein königliches Lösegeld für ihn forderte.
    Um die Summe zusammenzubringen, hatte die Dame von Azay den Wechslern und Halszuziehern ihr ganzes Lehen verpfändet und wartete nun, arm wie eine Kirchenmaus, in einer elenden Stadtwohnung auf die Ankunft ihres Herrn und Gemahls. Obwohl sie keinen Stuhl besaß, um sich darauf zu setzen, war sie stolz wie die Königin von Saba und tapfer wie eine Bulldogge, die das Eigentum ihres Herrn verteidigt. Der Seneschall, der ihre Bedrängnis kannte, erwählte ihre Tochter für die genannte Taufhandlung, um der Mutter eine Unterstützung zukommen zu lassen, die sie nicht ausschlagen durfte. Er besaß eine schwere goldene Kette, den Ehrenpreis für die Eroberung von Zypern, und er beschloß, sie seiner schönen Mitgevatterin um den Hals zu hängen. Er hängte aber an die Kette noch alle seine Landgüter und ersparten Schätze, seine Reitpferde, seine weißen Haare, mit einem Worte alles, sobald er die schöne Blancheflor von Azay zwischen den Damen von Tours eine Gavotte hatte tanzen sehen. Trotz der Ägyptianerin, die in ihrem Leben für das letztemal tanzte und in Volten und Sprüngen, Biegungen und Beugungen, in Beinspreizen und Zehenwirbeln sich selber übertraf, trug doch Blancheflor nach dem Urteil aller den Preis über sie davon, denn sie tanzte mit wahrhaft jungfräulicher Anmut.
    Der alte Bruyn stand bezaubert bei dem Anblick des tanzenden Jungfräuleins, dessen Fersen Angst zu haben schienen vor der Berührung mit dem Fußboden und das so unschuldig tollte mit seinen siebzehn Jahren und Sprünge machte wie eine junge Zikade am Sankt-Johannis-Morgen. Ein heftiger Wunsch entbrannte da in dem Greis, eine apoplektische Begierde, eine solche, die stark ist aus Schwachheit und die ihn durchglühte von der Fußsohle bis zum Nacken hinauf; denn sein Haupt sah so winterlich verwüstet aus, daß die Liebe davor haltmachte. Zum erstenmal fiel es dem Seneschall ein, daß seinem Schloß die Hausfrau fehlte, und die schartige Burg kam ihm auf einmal so traurig und öde vor wie nie in seinem Leben.

     
    Was war auch ein Haus ohne Hausfrau? Man möchte sagen: ein Klöppel ohne seine Glocke. Kurz, er kannte auf einmal keinen andern Wunsch als den, sich eine Frau zu nehmen. Und das so schnell wie möglich. Er hatte keine Zeit zu verlieren. Denn der ihm dort irgendwo in einer dunklen Ecke winkte, hielt wohl einen Bogen in der Hand, aber dieser Bogen war eine Sense. Der gute Bruyn verscheuchte indessen so unliebsame Visionen während all der rauschenden Festlichkeiten und verscheuchte auch den Gedanken an seine wohlgezählten sechzig Jahre, die ihm das Haupt verwüstet hatten. Er fand seine Augen hell und klar; denn darin stand das Bild der jungen Mitgevatterin, die nach den Anweisungen ihrer Frau Mutter ihm mit Blicken und Gebärden nicht wenig den Hof machte und in ihrer Unschuld glaubte, daß das bei einem so alten Mitgevatter weiter nichts zu bedeuten habe. Sie war im Gegensatz zu den andern Dirnen des Landes, die aufgeweckt sind wie ein Frühlingsmorgen, noch ganz und gar Kind und erlaubte ihm zuerst, ihr die Hand zu küssen, und dann noch einiges andre, als zum Exempel den Hals ein wenig tief unten ...
    Aber das erst eine Woche darauf, nachdem der Erzbischof sie zusammengesprochen hatte, wobei die gute Stadt Tours die schönste Hochzeit und jedenfalls die schönste Neuvermählte sah seit langen Jahren.
    Die genannte Blancheflor war frisch und anmutreich wie nicht leicht eine und

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