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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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hindurch den König und sahen den Geretteten in ihrer Angst bereits zum zweiten Male gehängt. Aber der König hielt Wort und verheiratete sie miteinander. Damit aber die Gerechtigkeit nicht zu kurz komme, gab er dem Neuvermählten, der seinen bürgerlichen Namen am Galgen verloren hatte, den Namen eines edlen Herrn von Mortsauf, und da sich unter dem Strohsack der Godegrand ganze Nester voll goldener Dukaten fanden, gründeten beide eine hochangesehene Familie, die in unserm Land fortblüht bis auf den heutigen Tag. Der Herr von Mortsauf selber leistete dem König Ludwig dem Elften bei verschiedenen Anlässen die wichtigsten Dienste; aber dem Galgen und den alten Weibern ging er ängstlich aus dem Wege, und nie wieder hat er sich bei Nacht und Nebel auf ein verliebtes Abenteuer eingelassen.
    Daraus können wir lernen, keine Katze im Sack zu kaufen und uns mit keiner Frau einzulassen, wenn wir nicht genau wissen, ob es Herbst oder Frühling bei ihr ist. Denn wenn wir auch nicht immer gehängt werden für einen solchen Irrtum, so können wir doch großen Verdruß davon haben.

     

Die Frau Konnetable

     
    Der Konnetable von Armignac heiratete ihres hohen Ranges und Vermögens halber die Gräfin Berthe, die längst ein Auge auf den kleinen Savoisy geworfen hatte, den Sohn des Kämmerers Seiner fast kranken Majestät, des Königs Karl des Sechsten.
    Der Konnetable war ein roher Kriegsmann von wenig vorteilhaftem Aussehen, eine ehrliche Haut, aber gelb und gegerbt von Sonne und Wind und haarig über und über. Die Worte, die ihm aus dem Munde kamen, waren so wenig gewaschen wie er selber. Er war ein gewaltiger Haudegen, doch nichts weniger als eine ziselierte Damaszener Klinge. Immer roch er nach dem Staub und dem Schweiß der Schlachten; immer träumte er von Gefecht und Gemetzel; er war ein großer Stratege, ausgenommen auf dem Schlachtfeld der Liebe. Hier war er nichts als ein roher Landsknecht. Er machte mit den Schüsseln, die ihm die Liebe vorsetzte, allzu kurzen Prozeß wie einer, der mit seinen Gedanken überall eher ist als beim Essen. Das lieben aber die Damen ganz und gar nicht, sondern wie sie mit Leib und Seele bei der Sache sind, so verlangen sie es mit Recht auch vom Manne. Kurz, sein ruppiges Leder und die zarte weiße Haut der Gräfin gingen schlecht zusammen, wenn sie gleich kopuliert waren, und die Träume seiner Frau beschäftigten sich mehr denn je mit dem genannten Charles de Savoisy und vice versa.
    Und nicht nur in Träumen beschäftigten sie sich zuletzt miteinander, sondern da beiden der Sinn nach derselben Musik stand, hatten sie gar bald ihre Noten und Instrumente auf denselben Ton gestimmt, und die Königin Isabelle war es, der zuerst auffiel, daß das Pferd des Herrn von Savoisy öfter in dem Stall ihres Vetters, des Konnetable, gesehen wurde, als im Königspalast bei Sankt Paul, wo der Kämmerer wohnte, seitdem sein Schloß, wie jedermann weiß, auf Betreiben der Universität zerstört worden ist.

     
    Diese gewitzigte Fürstin befürchtete einen schlimmen Ausgang der Sache für ihre Base; sie wußte, daß der Herr Konnetable mit Stich und Hieb so freigebig war wie ein Priester mit seinen Segenssprüchen.
    Und als sie eines Tages in der Kirche am Weihwasserkessel mit ihrer Base zusammentraf, die gleichzeitig mit Savoisy ihre Finger in die Schale tauchte, da machte die genannte ganz und gar durchtriebene Königin eine bedenkliche Miene.

     
    »Meine Liebste«, sagte sie, »kommt es Ihnen nicht so vor, als ob Blut in dem Wasser wäre?«
    »Hohe Frau«, antwortete Savoisy, »die Liebe erschrickt nicht vor Blut.«
    Diese Antwort gefiel der Königin. Sie schrieb sie sich hinter die Ohren und bekam später Gelegenheit, daran zu denken. Das war, als ihr Herr, der König, einen ihrer Liebhaber umbringen ließ, denselben, dessen Gunst bereits in dieser Geschichte ihren Anfang nimmt.

     
    Nichts indessen ist so vorsichtig als Liebe in ihrem ersten Frühling; nichts ist da den Liebenden so heilig als das Geheimnis ihres Herzens. Ihr Glück scheint ihnen noch einmal so schön unter dem Schleier des Mysteriums, und die hunderterlei Listen und Betrügereien, die nötig sind, empfinden sie als die stärkste Würze ihrer Seligkeit. Aber oft genügt ein Augenblick, um all diese Klugheit und Vorsicht zuschanden zu machen. So eine arme Frau verfängt sich in ihrem Glück wie in einem Netz, und der Geliebte denkt nicht mehr an all die tausend Kleinigkeiten, die ihn verraten könnten. Ein abgerissener

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