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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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weislich versehen hatte, recht wie eine Königin geschmückt war und daß das Feuer der Liebe ihr aus allen Poren leuchtete und ihre Hautfarbe besser illuminierte als die kostbarste Schminke. Auch geschah es, trotz ihrer Verteidigung, die ja nicht allzu ernst gemeint war, daß sie wie ein junges Ding genommen und auf das königliche Lager getragen wurde, allwo die gute Dame und der Junker von Dutzendmalingen die Brautnacht ihrer Gewissensehe im Sturm einläuteten.
    Und da, unter Spiel und Kampf, unter Lachen und Gerauf behauptete die Regentin, eher an die Jungfrauschaft der Königin Maria zu glauben als an das Dutzendversprechen ihres Ritters. Jacques aber fand die hohe Dame unter den Bettüchern auf einmal gar nicht mehr alt, so hatte der Schein der Nachtampel sie verwandelt. Ach, so manche Frauen, die bei Tag fünfzig haben, haben um Mitternacht kaum zwanzig, wie andre, die um Mittag zwanzig sind, hundertjährig werden, wenn die Sterne aufgehen. Er war also glücklicher von diesem Zusammentreffen als einer, der zum Galgen geführt wird, von einer Begegnung mit dem König, und beteuerte von neuem seine Wette; die Frau Regentin aber war nicht wenig verwundert und versprach ihm außer redlicher Mithilfe die Herrschaft von Azay mit zugehörigen Lehen sowie die Begnadigung seines Vaters, wenn sie als die Besiegte aus dem Kampf hervorginge.
    Jacques war ein guter Sohn, er sprach bei sich: ›Das, um meinen Vater aus der Ungnade zu lösen, das für den Lehnsbrief, das für den Zehnten und Gülten, das für den Wald von Azay, item für das Fischrecht, item für die Flußinsel, noch eins für das Weideland; und gewinnen wir auch die Ablösung der Gerichtsbarkeit auf der Herrschaft La Carte, die mein Vater so teuer gekauft hat; und dann ist ein Hofamt nützlich und angenehm ... ‹
    Als er ohne Hindernisse in der Abzahlung so weit gekommen war, fühlte er wohl, daß sein Beutel leer werde. Er sagte sich aber, daß es hier nicht um seine, sondern auch um die Ehre der Krone gehe; darum gelobte er seinem Patron, dem heiligen Jakobus, auf Azay eine Kapelle zu seinen Ehren zu erbauen; und davon ermutigt, leistete er der Regentin einen neuen Vasalleneid in elf klaren, flüssigen und wohlklingenden Erklärungen. Das letzte Wort aber und den Epilog seiner bauchrednerischen Leistungen gedachte der verwegene Tourainer bis zum Erwachen aufzusparen, wo er seiner Lehnsherrin ohnedies einen Morgengruß und Tribut schuldete als neugebackener Lehnsmann von Azay.
    Das war wohl und weise gedacht, aber die Natur ist manchmal tückisch und unberechenbar; sie gebärdet sich oft geradezu wie ein Pferd, das, wenn es sich einmal hingeworfen hat und alle viere von sich reckt, durch keine Macht der Peitsche in die Höhe zu kriegen ist, das lieber krepiert als sich rührt, sondern sich nur aufrichtet, wenn es ihm eben gefällt. Und siehe, als die Salutkanone von Schloß Azay am anderen Morgen die Tochter Ludwigs des Elften begrüßen sollte, da wurde es, trotz aller schuldigen Reverenz, ein blinder Schuß, womit übrigens im allgemeinen die Souveräne begrüßt zu werden pflegen. Aber die Regentin, die sich nun von ihrem Lager erhoben und mit Jacques de Beaune, jetzt legitimer Schloßherr von Azay, an den Frühstückstisch gesetzt hatte, beschwerte sich höchlich über den mangelhaften Morgensalut und behauptete, wenn auch nur um ihren Stallmeister ein wenig zu necken, daß er weder seine Wette noch infolgedessen Lehnsherrschaft und was davon abhängen sollte gewonnen habe.
    »Beim heiligen Leib des heiligen Praktikus«, rief der Junker, »Ihr werdet nicht leugnen, daß ich fast gewonnen habe; doch weder Euch, Herrin meiner Seele und hohe Monarchin, noch mir steht es an, in eigener Sache Richter zu sein. Unser Fall ist aber ein Allodialfall und gehört vor Euren Hohen Rat, da das Leben von Azay reichsunmittelbar von der Krone abhängt.« »Bei der Heiligen Jungfrau«, schwur die strenge Dame lachend, und es kam selten vor, daß sie lachte, »ich mache Euch zu meinem Ersten Kammerherrn, ich stelle die Verfolgung Eures Vaters ein, ich belehne Euch mit der Herrschaft Azay und verschaffe Euch ein Amt beim König, wenn Ihr Euch getraut, die Sache, ohne meiner Ehre nahezutreten, vor den Hohen Rat zu bringen. Aber wenn Ihr auch nur mit einem einzigen Wörtlein, nur mit einem Spritzerchen den blanken Schild meiner Frauenehre trüben solltet, so schwöre ich ...«
    »Gehängt will ich werden!« rief der Dutzendmann, indem er scherzhaft auszuweichen suchte, da

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