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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Dame die Ungeheuerlichkeit seiner Liebe in Gnaden aufnahm. Er kletterte also wieder auf den Tisch und dachte bei sich, daß schon mancher Edelmann mittels eines alten Steigbügels das Roß bestiegen hat, das man Glück bei Hofe nennt; damit tröstete er sich über sein eignes Glück.
    »Es ist schon gut«, sagte die Regentin zu ihren Zofen, »hier ist weiter nichts nötig, es geht dem Edelmann besser, sagen wir Gott und der allerheiligsten Jungfrau Dank, daß sie den Mord von meinem Hause abgehalten haben.«
    Indem sie so sprach, streichelte sie das Haar des Geliebten, der ihr recht eigentlich vom Himmel gefallen war; dann nahm sie von dem Kölnischen Wasser (oder wie man das Zeug damals genannt hat) und rieb ihm ein wenig die Schläfen. Sie knüpfte ihm auch das Wams auf, und unter dem Schein zärtlich mütterlicher Besorgtheit stellte sie bei sich fest, besser als ein geschworener Sachverständiger, wie zart und jung die Haut dieses prahlerischen Versprechers sich anfühlte. Die ganze Dienerschaft, Männer wie Frauen, waren über dieses Gehaben ihrer Herrin nicht wenig erstaunt; aber Menschlichkeit ist königlichen Personen keine Schande.

     
    Unterdessen richtete Jacques sich auf, spielte den Verwirrten, dankte in tiefster Demut der Regentin und beurlaubte die Physikusse, Pflasterschmierer, Quacksalber und die andren schwarzen Teufel, indem er erklärte, sich vollkommen erholt zu haben. Dann nannte er seinen Namen und wollte sich drücken, indem er die Dame von Beaujeu angstvoll grüßte, wahrscheinlich weil sein Vater in Ungnade war, vielleicht aber auch, weil ihr fürchterlicher Anblick ihn in Schrecken setzte.
    »Noch einen Augenblick!« sagte sie; »wer in mein Haus kommt, darf nicht empfangen werden, wie Ihr empfangen worden seid. – Der Junker von Beaune wird hier zu Abend essen«, wandte sie sich an den Hausmeister. »Derjenige unter euch, der ihm so übel mitgespielt hat, soll ihm auf Gnade oder Ungnade überlassen sein; wenn sich der Mann nicht von selber meldet, wird ihn der Hausprofos unverzüglich zu finden wissen, und er wird zum Galgen keinen weiten Weg haben.«
    Bei ihren Worten trat der Leibwächter hervor, der sie auf ihrem Gang begleitet hatte.
    »Hohe Herrin«, sprach Jacques, »möge ihm Gnade und Verzeihung zuteil werden, da ich ihm ja das Glück verdanke, vor Euch zu stehen, und die Gunst, in Eurer Gesellschaft zu Abend zu speisen, vielleicht sogar die, meinen Vater von neuem in sein Amt eingesetzt zu sehen, das ihm in Gnaden zu übertragen Eurem glorreichen Vater gefallen hat.«
    »Wohlgesprochen!« erwiderte die Regentin. »Und du, plumper Wasserspeier«, wandte sie sich an den Leibwächter, »du erhältst eine Kompanie Bogenschützen, aber wirf nichts mehr zum Fenster hinaus in Zukunft.«

     
    Und die Regentin, schon dreiviertel verliebt in den Junker von Beaune, reichte ihm huldreich die Hand, und er führte sie mit Grazie in den Saal, wo sie Rede und Widerrede pflogen bis zur Stunde des Essens. Jacques verfehlte nicht, reichlich Witz und Wissen auszupacken, seinen Vater zu rechtfertigen und sich selber vor der hohen Dame ins beste Licht zu stellen, die, wie jeder weiß, nach dem Beispiel ihres Vaters selig bei jeder Art Geschäft wenig Federlesens machte. Bei sich dachte Jacques, daß es wohl einige Schwierigkeiten haben werde, bei der Regentin zu schlafen. Den Katzen war so was leichter gemacht, die fanden immer ein Dach oder eine Dachrinne über den Häusern, um sich dort nach Wohlgefallen anzumiauen. Er freute sich schon im geheimen, bei der Regentin auf seine Rechnung zu kommen, ohne das verteufelte Dutzend, das er etwas unvorsichtigerweise versprochen, in barer Münze bezahlen zu müssen, weil denn dazu doch nötig gewesen wäre, das ganze Hausgesinde beiseite zu bringen, um die Ehre zu retten. Nichtsdestoweniger war es ihm, wenn er zwischenhinein. die Regentin mit kennerischem Blick musterte, angst und bange, ob er auch bestehen werde für den Fall, daß sie es darauf ankommen lasse. Ungefähr an dieselbe Sache dachte, zwischen all den höfischen Reden, auch die gute Regentin, der doch schon viel schwierigere Dinge vorgekommen waren. Und da noch feine Redensarten drechseln zu müssen! Sie winkte plötzlich einem ihrer Sekretäre, so einem, der, was Staats- und Regierungsgeschäfte anbetraf, mit allen Hunden gehetzt war, und gab ihm Befehl, ihr während der Mahlzeit heimlich eine erfundene Botschaft zu überbringen.
    Das Essen wurde aufgetragen, ohne daß die Herrin daran

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